Der unsichtbare Feind (German Edition)
Schleier nur noch schemenhaft wahrnahm und nahezu blind darauf
zulief. Alles, was Stark hörte, war sein eigener keuchender Atem, alles, was er
spürte, war der unebene Boden mit den vielen gefährlichen Löchern die Feldhasen
und Fasane geschert hatten, um sich abzukühlen. Haslauer hatte er längst aus
seinem beschränkten Sichtfeld verloren, und um ehrlich zu sein, er hatte auch
nicht mehr die Kraft sich um den alternden Mann zu kümmern. Ein kalter Schauer
kroch seinen Nacken hoch. Wenngleich er auch die stechende Sonne auf seinem
Gesicht spüren konnte, so war es ihm, als befände er sich in einem Eiskasten. Sein
ganzer Leib zitterte und seine Füße fühlten sich wie Blei an. Nach Starks
Einschätzung, konnten es nur noch wenige Meter bis zur rettenden weißen Wand
sein, aber umso mehr er sich die Tränenflüssigkeit aus den Augen wischte, desto
mehr brannten sie wie Höllenfeuer. Verzweifelt streckte er die Arme vor die
Brust, in der Hoffnung, jeden Moment die schützende Wand zu ertasten. Plötzlich
packte ihn eine Hand am Arm und korrigierte seinen Kurs ruckartig.
„Kommen Sie Inspektor“,
erklang die vertraute Stimme Haslauers an seinem Ohr.
Der Virologe zerrte Stark
noch einige Schritte weiter, bis er das Tempo reduzierte und schließlich stehen
blieb. Haslauer löste seinen Griff an Starks Handgelenk. Er hastete zum Tor,
packte den vertikalen Öffner und zog aus Leibeskräften daran. Bis auf ein
metallisches Geräusch, das die Sperrzunge im Schloss von sich gab, tat sich
nichts, das Tor war versperrt.
„Verdammt“, fluchte Haslauer
und lief zu Stark, „Inspektor, das Schloss ist verriegelt, wir kommen da nicht
rein.“
Stark
kämpfte immer noch mit seinen, von roten Äderchen durchzogenen Augen: „Um was
für ein Schloss handelt es sich?“
„Was weiß
denn ich?“, sagte Haslauer gestresst, „Die sehen doch alle gleich aus.“
„Beschreiben
Sie das Schloss Doktor Haslauer, wie sieht es aus?“
Haslauer
bückte sich gequält, mit einer Hand an der Hüfte, bis er das Schloss direkt vor
sich sehen konnte: „Es ist in einem aus Metall bestehenden Beschlag
eingelassen, sehr breit und hat die Form eines Z, wie Zeppelin.“
Starks von
Hustenkrämpfen durchzogenes Lachen verwirrte den Doktor: „Was ist so lustig
daran?“
Stark sah
ihn durch zwei zugeschwollene Augen an: „Das ist ein Buntbartschloss.“
Stark,
dessen Augen sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, trat an das Tor. Aus der
Ferne war bereits der Automotor des Wachtrupps zu hören.
„Machen
Sie schnell Inspektor“, bat sich der Doktor aus, „wenn wir nicht rechtzeitig im
Gebäude sind, dann war es das. Ich kann diese Torturen kein zweites Mal …“
„Seine Sie
jetzt endlich still“, fauchte Stark genervt, der das Gefühl hatte, die Pummerin
würde in seinem Kopf läuten.
Eilig
kramte er aus seiner Tasche den Vierkant hervor, den ihn Jonny gegeben hatte,
um die in die Litfaßsäule eingelassene Tür zu öffnen. Er nahm einen Stein vom
Boden auf und legte den schmalen, in der Sonne glänzenden Vierkant an die Kante
des Torrahmens. Dann klopfte er gegen das überstehende Ende des metallischen
Objektes.
Inzwischen
war der SUV bereits deutlich zu hören. Der röhrende Motor übertönte Starks klopfen
bei Weitem.
„Nun
machen Sie schon“, flehte Haslauer.
Unter der
Krafteinwirkung des Steines begann sich der Vierkant langsam zu biegen.
Quietschende
Stoßdämpfer hallten in Starks Ohren wieder. In weniger als einer Minute würde
der Wagen um die Kurve biegen.
Stark
klopfte mit all seiner Kraft gegen das Eisen. Als das Ende rechtwinkelig
abgebogen war, warf Stark den Stein weg und hastete zum Schloss.
„Damit
wollen Sie die Tür öffnen?“, wunderte sich Haslauer.
„Ja klar.
Das ist ein Dietrich. Die Stärke des Eisens eignet sich perfekt dafür.“
Stark
führte den Vierkant, mit der rechtwinkeligen Biegung voraus, in das Schloss. In
seine Nase strömte der Geruch von Abgasen. Stark wusste, dass er nur noch
wenige Sekunden Zeit hatte.
„Machen
Sie sich bereit Doktor Haslauer“, keuchte Stark, während er den Dietrich im
Schloss hin und her drehte.
Mit einem Plötzlichen
klack fuhr der Sperrbolzen im Schloss zur Seite. So schnell Stark konnte, zog
er das Werkzeug wieder aus dem Schloss, während Haslauer das Tor zur Seite zog.
Haslauer sprang durch die schmale Öffnung, dicht gefolgt von Stark, der an der
Gebäudekante die immer größer werdende Motorhaube des SUV sehen konnte.
Gemeinsam stemmten sie sich
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