Der unsichtbare Killer
und der Lizenzcode des Autos hatte sich, seit sie es beobachteten, nicht verändert – es gab keinen Fehler, es gab auch keinen Graubereich, der einen Irrtum möglich gemacht hätte. Sid ragte jetzt über der gepflegten Straße auf und stützte die Hände in die Hüften, während er zusah, wie der Fahrer ausstieg und auf jene lustige Weise, die für rückwärtslaufende Bewegungen typisch ist, in einem Haus am westlichen Ende der Rothbury Terrace verschwand.
»Anhalten.«
»Da lebt er«, sagte Dedra Foyster.
Sid sah zum Fenster hinüber und stellte fest, dass Ian mit einem professionell ausdruckslosen Gesicht nach draußen auf das virtuelle Bild starrte. Und er stellte auch fest, dass Chloe Healy und Jenson San im hinteren Teil des Kontrollraums waren; beide trugen modische dunkle Anzüge und schwiegen, übermittelten die Verärgerung ihres Chefs aber dennoch sehr wirkungsvoll. Bezeichnenderweise war Aldred 2North nicht bei ihnen. Und wenn seine Unterstützung wegfiel …
»Wissen wir, wie lange das Taxi hier gestanden hat?« Sid deutete auf das Auto.
Dedra und Lorelle steckten die Köpfe zusammen, und ihre Hände flatterten innerhalb ihres Keyspace.
»Sieben Stunden, Chef«, sagte Dedra mit einem entschuldigenden Schulterzucken.
»Hmm.« Dann hatte Sid also gerade gesehen, wie der Fahrer seine Schicht angetreten hatte, jener Fahrer, der sauber war und ein Taxi fuhr, das eine korrekte Lizenz besaß. Ein rechtmäßig zugelassenes Taxi, in das, wie sie gesehen hatten, fünf Stunden lang Leute ein- und ausgestiegen waren. Ein Taxi, das nirgendwo eine Leiche eingesammelt hatte und aus dem am Elswick Wharf auch keine rausgeworfen worden war. Das letzte von zweihundertundsieben Taxis. Ihre letzte Chance, eine echte Spur zu finden. »Sieht aus, als hätte der Himmel selbst uns beschissen«, murmelte er.
»Detective Hurst, können wir kurz mit Ihnen sprechen?«, fragte Jenson San.
Sid wollte schon nein sagen, ein launisches, kindisches, erbärmliches Nein von sich geben. Weil er genau wusste, worum es gehen würde. Also wozu das Ganze noch?
»Macht Pause«, sagte er zu seinem Team. »Wir sehen uns das nach dem Essen an.«
Die Simulation erlosch, und er stand allein im leeren Immersionstheater. Er sah zu, wie die anderen der Reihe nach den Kontrollraum verließen; einige warfen ihm niedergeschlagene Blicke zu. Ian zögerte, aber Sid neigte leicht den Kopf, und sein Partner verschwand.
Chloe Healy und Jenson San kamen zu ihm ins Immersionstheater.
»Sie haben’s versaut«, fauchte Jenson San.
»Sprechen Sie weiter so mit mir, und Sie werden in einem Krankenhaus aufwachen, Sie kleiner arschkriecherischer Bastard.«
»Schon gut, Jungs!«, sagte Chloe und hob die Hände. »Die Rückverfolgung hat nicht funktioniert. Warum nicht, Sid?«
»Ich weiß es nicht. Wir wissen, dass ein Taxi benutzt wurde, um die Leiche zu transportieren, das verfluchte Ding befindet sich immer noch im forensischen Labor. Es muss irgendwie zum Elswick Wharf gefahren worden sein.«
»Ihr Team hat schlampig gearbeitet«, sagte Jenson San. »Es ist ihnen allen durch die Lappen gegangen. So einfach ist das – Sie haben das verdammte Ding übersehen!«
»Dann stimmen Sie also zu, dass es eigentlich der richtige Weg war, die Untersuchung so durchzuführen?«, fragte Sid abfällig. Er war wütend und frustriert, und er musste irgendwie Dampf ablassen. Die Anklage würde ohnehin nur auf geringfügigen Angriff lauten.
»Unter einer ordentlichen Leitung wäre es wahrscheinlich so gewesen.«
»Geben Sie mir die Leute, die ich haben will, und wir lassen es noch einmal laufen.«
»Schieben Sie jetzt die Schuld auf Ihre eigenen Leute?«, fragte Jenson San süffisant.
Sid spürte, wie sich seine Hand zur Faust ballte.
»Wir werden es nicht noch einmal laufen lassen«, sagte Chloe mit fester Stimme. »Für diese Ermittlungen ist eine neue Herangehensweise nötig. Sid, schreiben Sie einen zusammenfassenden Bericht. O’Rouke erwartet ihn zum Ende der Tagesschicht. Wir müssen wissen, wie wir von hier aus weitermachen.«
Sid wollte etwas sagen; er hätte ihnen nur zu gern eine Antwort gegeben, mit der er sich und sein Team hätte rechtfertigen können. Die Wahrheit war, dass er es im Wiederholungsfall noch einmal genauso machen würde. Er hatte sich genau an das Prozedere gehalten. Es gab keinen neuen Gesichtspunkt, es sei denn, man zählte Sherman dazu – und den hatten sie in dem elenden Durcheinander namens Last Mile ebenfalls ausgelöscht.
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