Der unsichtbare Killer
»He, ich habe nicht damit gerechnet, dich zu sehen. Komm doch rein.«
Sid sah sich blinzelnd in dem hellen, sauberen Zimmer um; es war ausgestattet wie ein mittelpreisiges Hotelzimmer. Ganz sicher gab es abgesehen von einigen leeren Monitoren an der Wand keine sichtbaren medizinischen Gerätschaften. »Niemand da von der Familie?«
»Himmel, nein. Sie werden auch in den nächsten ein oder zwei Stunden nicht kommen, hoffentlich eher noch später. Ich genieße die Ruhe.«
»Du siehst aus, als ginge es dir gut«, sagte er erleichtert, während er einen Stuhl an ihr Bett heranzog.
»Lass das ruhig. Ist das Devorn-Schokolade?«
»Ja. Es ist allerdings erst Viertel nach acht.«
»Nach der echten Zeit. In einem Krankenhaus haben wir jetzt schon Mittag. Sie haben mich um sechs Uhr zum Frühstück geweckt. Ich hätte die Krankenschwester dafür fast in die nächste Station verfrachtet.«
Sid lachte. »Also, wann kommst du raus?«
Tilly fing an, die Pralinenschachtel zu öffnen. »Vielleicht schon heute Nachmittag, je nachdem, wie der nächste Scan ausfällt. Ich würde es gern auf morgen verschieben. Zwei ganze Tage, an denen ich mich nicht um die Kinder kümmern muss. Was für ein Segen.«
»Dann machen sie sich keine Sorgen?«
»Weil ich ein bisschen Rauch eingeatmet habe? Nein, Schätzchen, es geht mir gut. Das sind alles nur Vorsichtsmaßnahmen. Wir haben es rausgeschafft, bevor es zu schlimm wurde.«
»Tut mir leid.«
»Was? Du warst nicht dabei.«
»Aber es ist mein Fall. Ich hätte wissen müssen, dass sie versuchen würden, so viele Beweise wie möglich zu beseitigen. Ernies Garage war ein offensichtliches Ziel.«
»Das ist im Nachhinein immer so, Schätzchen.«
»Diese Constables von der Agency waren Idioten.« Es war eine klassische Ablenkung gewesen, zwei Jugendliche in einem Monstertruck auf Spritztour auf der Western Road. Sie waren geradewegs auf den Hof der Autowerkstatt gefahren und hatten den geparkten Streifenwagen gerammt, bevor sie wieder davongeprescht waren. Die Agency-Constables, die mit dem Schutz des forensischen Teams beauftragt gewesen waren, hatten sämtliche Regeln ignoriert und die Jugendlichen verfolgt – was verschwendete Zeit war, wie sich herausstellte, da sie sie nie einholten. Dreißig Sekunden, nachdem sie weg waren, flogen die Molotow-Cocktails durch die Fenster der Autowerkstatt.
»Ist nicht wirklich was passiert«, versicherte Tilly und entschied sich, eine Orangencrème von der obersten Lage zu nehmen.
Sid musste zugeben, dass sie so aussah wie immer. »Das freut mich. Bekommen wir dann irgendwas Brauchbares von der Autowerkstatt?«
»Ha! Ich wusste, dass es dir gar nicht um mich geht. Dir geht es immer nur um den Fall.«
»Das ist ni–« Er sah sie grinsen und zuckte mit den Schultern.
»Erwischt.«
»Wirklich, meine Liebe, du bist ein böser Mensch.« Er zupfte ein Walnuss-Wunder aus der Schachtel. »Jacinta lässt dich grüßen.«
»Wolltet ihr nicht dieses Wochenende umziehen?«
»Ja. Gestern.«
Tilly kniff die Augen zusammen. »Solltest du dann nicht mit Auspacken beschäftigt sein?«
»Eine Freundin von mir liegt im Krankenhaus. Was soll man tun?«
»Sie wird dir noch deine Sachen vor die Tür stellen, wenn du nicht aufpasst.«
»Ich weiß. Aber die Umzugsfirma war gut. Sie haben nichts kaputt gemacht, und die Kisten stehen alle in den richtigen Zimmern.«
»Männer! Ihr werdet euch nie ändern.«
»Und ihr werdet die Hoffnung nie aufgeben, dass ihr uns ändern könnt.«
Tilly seufzte und fand einen Haselnuss-Trüffel. »Nein, da war gar nichts.«
»Wo?«, fragte Sid unschuldig.
»Schwachkopf. In der Autowerkstatt. Wir sind alles durchgegangen. Aber es war Wochenende.«
»Dreimal so lang, was?«
»Absolut, Schätzchen.«
»Nichts?«, fragte Sid. Sie hatte recht gehabt: Schändlicherweise war es tatsächlich zum größeren Teil der Wunsch nach Ergebnissen gewesen, der ihn zu dem Besuch getrieben hatte. Die Laboranalysen der Proben waren wichtig, aber wenn jemand mit Tillys Erfahrung befand, dass es an einem Schauplatz nichts Brauchbares gab, genügte ihm das. Sie wusste, wonach sie suchen musste, und was sie für eine Untersuchung auszuwählen hatte.
Es würde Donnerstag werden, bis Northern Forensics einen Bericht über die Gegenstände vorlegen würde, die bereits im Labor angekommen waren. Donnerstag war einfach zu lang.
»Nein. Nichts, das ihn irgendwie mit den Red Shields in Verbindung bringen könnte. Die Autowerkstatt war seine legale
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