Der unsichtbare Killer
Eine angenehm warme Brise fuhr ihm ins verfilzte Haar, und er holte tief Luft. Gleich darauf schnitt er eine Grimasse. Ein schwerer, salziger Zitrus-Geruch lag in der Luft. Ein widerwilliges Vertrautheitsgefühl sagte ihm, dass es Honigbeeren-Sporen waren, die von den angeschwollenen, bronzefarbenen Blattspitzen an der Unterseite ausgestoßen wurden. Immerhin war das ein Eindringling, den seine Sinne zu registrieren in der Lage waren.
Er straffte die Schultern und zuckte zusammen, als er die steifen Glieder bemerkte, die ihm die nächtliche Wache beschert hatte, während der er sich Stunde um Stunde an dieselbe Stelle gekauert hatte, um voller Schmach hinaus in das feindliche, vom Zwielicht vereinnahmte Gelände unter seinem Befehl zu starren. Die Legionäre, die das Kantinenzelt gemeinsam mit ihm umstellt hatten, um die ganze Nacht Wache zu stehen, regten sich ebenfalls, als Wukang wieder sichtbar wurde.
Der Beginn eines neuen Tages ließ ihn mit neuen Augen auf das Lager blicken. Ranken wuchsen an den Halteseilen der Zelte hinauf und wanden sich um Palettenstapel. Sogar der verdichtete Boden und Stein der kurzen Landebahn wurde langsam wieder grün, wo zähe Moosklumpen und Grasbüschel sprossen. St Libra beanspruchte die Nische bereits zurück, von der die Menschen selbstgefällig angenommen hatten, sie hätten sie sich gesichert.
»Herr, vergib uns unsere Vergehen«, murmelte Vance. »Und schenke mir heute Weisheit.« Er bekreuzigte sich.
Hinter ihm rafften sich die anderen Überlebenden von Wukangs achtundvierzig Mitarbeitern langsam vom Boden und den Stühlen auf, wo sie die Nacht verbracht hatten. Einige hatten geschlafen. Die meisten nicht, nahm Vance an.
Antrinell kam herüber und wirkte besorgt und unsicher. »Morgen.«
Vance nickte ihm grimmig zu. »Ich will Lieutenant Botin und den Leiter einer jeden Abteilung in zehn Minuten zu einer Besprechung sehen. Wir werden sie in der Wartungswerkstatt abhalten. Und einen Trupp Legionäre vorschicken, um sicherzugehen, dass der Bereich sauber ist.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Und lass die Köche mit dem Frühstück loslegen. Wir werden es brauchen.«
»Können die Leute zu ihren Zelten gehen?«
»Nein. Das ganze Lager muss zuerst durchsucht werden. Wir müssen sicher sein, dass das Ding weg ist.« Er warf einen mitfühlenden Blick auf den Block mit den Waschräumen. »Die Legionäre können vorher verifizieren, dass die Latrinen sauber sind.«
»Klar. Dann ist es also echt?«
»Hast du bei den Legionären für mich nachgefragt?«
»Ja.« Antrinell senkte die Stimme. »Zu dem Zeitpunkt, als Coombes angegriffen wurde, war sie mit Pareshs halbem Trupp im Zelt.«
»Dem Herrn sei es gedankt.«
»Was machen wir?«
»Ich bespreche mich stündlich mit Griffin Toyne und Vermekia. Sie sind meiner Meinung: Nun, da wir feindliche Aktivität in diesem Bereich bestätigt haben, sollte Wukang erweitert und zu einem militärischen Stützpunkt ausgebaut werden. Die Zeit der Wissenschaft ist vorüber. Wir werden mehr Legionäre holen und richtig auf die Jagd gehen. Bis dahin sichern wir die Landebahn. Und lassen uns nicht mehr töten.«
»Der MTJ?«
Vance zuckte die Schultern. »Ich habe keinen Beweis. Ich gehe davon aus, dass sie es waren, denn in diesem Augenblick ist nichts und niemand über Zweifel erhaben.«
»Alles klar, ich werde alles in die Wege leiten.«
Vance beobachtete, wie die Anweisungen über die Befehlskette liefen. Zwei Abteilungen Legionäre wurden losgeschickt, eine zu den Latrinen, die andere zur Werkstatt. Köche und Helfer heizten die Öfen und Mikrowellen an. Tabletts mit Essen wurden erwärmt, Kannen mit Kaffee und Tee gefüllt. Eine Schlange bildete sich. Es herrschte beinahe Normalität.
Vance hustete. Der Geruch der Sporen war heute Vormittag um einiges intensiver und reizte seinen Rachen. Er rief noch einmal bei Griffin Toyne an und bestätigte, dass sie die Nacht überlebt hatten.
»Wir hätten den Körper gern zur Untersuchung nach Abellia geholt«, sagte der Major.
»Er ist in unserer Klinik. Ich werde veranlassen, dass die Ärztin ihn für einen Kühltransport vorbereitet.«
»Und niemand hat etwas gesehen?«
»Sobald wir wieder volle Netzfunktion haben, werden wir die Mesh-Daten überprüfen. Aber erwarten Sie nicht zu viel.«
»Sie haben gesagt, das Netz des Lagers ist nach dem Angriff ausgefallen?«
»Ja, Sir.«
»Das bedeutet also, dass unser Alien durch die Sensoren am Rand des Geländes gekommen ist, ohne bemerkt
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