Der unsichtbare Killer
schwacher, grünstichiger Straßenbeleuchtung erhellt. Und dann plötzlich waren die Autos auf den Hauptstraßen erstarrt, die Strahlen ihrer Scheinwerfer gefroren.
Sid drehte sich, bis er direkt die Südstraße hinabblicken konnte. Unmittelbar vor ihm schufen die Straßenlampen Lichtpfützen, die sich in die Ferne erstreckten, jede getrennt von ihren Nachbarn. Er hob beide Arme in die Höhe und winkte mit geschlossenen Fingern. Das Bild begann vorüberzugleiten und brachte ihn näher an die Tyne Bridge heran. Kurz bevor er den Träger erreichte, war da ein leerer Fleck, als wäre ein Stück interplanetarer Raum vom Himmel gefallen und hätte sich über die Straße gelegt. Er streckte die flachen Hände aus. Das Bild hielt an. Mit einem erhobenen Finger beschrieb er einen Kreis, und alles rotierte um ihn herum. »Diesen Punkt markieren: Lücke eins. Breite etwa eineinhalb Meter. Zieht sich über die Straße bis zur Böschungsmauer.« Er blickte zu dem Beton hinauf, auf dem sich ein durch ein Geländer gesicherter Gehweg befand, bevor das Terrain in einer Grünanlage aus Grasterrassen und überwucherten Zierbäumen steil weiter anstieg.
»Falls jemand unseren North, ohne Spuren zu hinterlassen, da entlang zu schleifen versucht hat, muss er schon ziemlich sorgfältig gewesen sein«, ließ sich Ians Stimme vernehmen.
»Irgendwas ist mit dem Smartdust auf dem Brückenpfeiler passiert«, sagte Eva. »Möglicherweise Taubenkot – die Biester mögen unsere Brücken. Das Geflecht ist schon seit letztem Winter tot – die Stadt ist nur noch nicht dazu gekommen, die Partikel zu ersetzen. Diese Lücke wurde nicht für den Mord arrangiert.«
»Außerdem hätten sie die Leiche zu der Lücke schaffen müssen«, sagte Ian. »Wenn wir nach einer Entsorgung um circa zehn Uhr Ausschau halten, waren da zwischen neun Uhr dreißig und zehn nach zehn nur acht Fahrzeuge auf diesem Straßenabschnitt unterwegs. Keins davon hat angehalten.«
»Zeigt sie mir«, sagte Sid. Eva ließ die Simulation eine halbe Stunde vorlaufen. Während er dastand und zusah, sausten die Autos die Straße entlang, über ihn hinweg und um ihn herum. Sie fuhren alle langsam, immerhin betrug die Dicke der festgefahrenen Schneedecke mittlerweile acht Zentimeter, aber keines war langsam genug, um in der Leerstelle eine Leiche abzuladen. »Okay«, sagte Sid. »Wieder zurück auf neun Uhr. Suchen wir die nächste Lücke.«
Das Verkehrsleitsystem wies dem Wagen eine Noteinsatzfahrzeug-Priorität zu, und Autos und Lkws bildeten reibungslos eine Schneise, um Colonel Vance Elston von der Alien Intelligence Agency des HDA direkte Zufahrt auf die reservierte Mittelspur der Autobahn zu gestatten. So nah am Gateway kam der gewerbliche und private Verkehr ohnehin fast zum Erliegen und bildete auf den drei Spuren, die zur Erde zurückführten, eine geordnete Stop-and-go-Warteschlange. Jetzt, wo er freie Bahn hatte, trat er den Beschleuniger durch, bis er konstante hundertsechzig Sachen draufhatte. Neben den so gut wie parkenden Autos war das Gefühl von Geschwindigkeit noch übersteigert; beinahe erregend, die Art von Rausch, wie sie wohl ein jugendlicher Raser in einem aufgemotzten Wagen empfand. Vance lächelte bei dem Gedanken. Mit seinen siebenundvierzig Jahren war er solchem Heißsporn-Gebaren schon lange entwachsen, doch sogar trotz seiner Beschäftigung und ihrer dogmatisch eingeträufelten Disziplin musste auch er zugeben, dass reine Geschwindigkeit bei der männlichen Psyche nie ihre Wirkung verfehlte.
Die deutsche Welt Odessa hinter sich lassend, schoss er durch das Gateway und tauchte in einem eisigen Winternachmittag in Berlin wieder auf; bremste hart ab und nahm die Ausfahrt für Einsatzfahrzeuge. Auf dem Landefeld oberhalb des Damms wartete ein Agency-Helikopter auf ihn, dessen Rotorblätter sich langsam drehten. Er ließ den Wagen stehen und kletterte an Bord. Der Hubschrauber brachte ihn rasch über die schneebedeckte Hauptstadt zum Flughafen Schönefeld, wo ein zehnsitziger Passagierjet bereitstand. Mit ihm flog er geradewegs zum Londoner Airport in den Docklands. Kaum war er gelandet, fuhr eine schwarze Limousine an die Passagiertreppe heran, um ihn abzuholen. Im Fond des Wagens saß Major Vermekia; in voller Paradeuniform, so, wie es erwartet wurde von jemandem, der dem Generalstab der Human Defence Alliance angehörte.
»Sie sehen beeindruckend aus«, sagte Vance, während er sich in dem dick gepolsterten Sitz zurücklehnte. Inmitten der Reihen von
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