Der unsichtbare Killer
Nest. Sie dachte darüber nach, wie leicht sie sich unter diesen Umständen hätte wegschleichen können. Es wäre ziemlich einfach gewesen, ein bisschen Smartdust auf einem Sitz zu verstreuen, der den korrekten persönlichen Identifikations-Code ausgab, und alle hätten geglaubt, dass sie in einem Fahrzeug saß, obwohl sie in Wirklichkeit lautlos und mit abgeschaltetem Bodymesh hinter Chitty herlief.
Körperlich – technologisch – konnte man so etwas tun, und auch recht einfach. Aber das wieso war grundlegend beunruhigend. Es hätte bedeutet, dass das Monster Hilfe von jemandem aus dem Konvoi erhalten hatte. Andererseits hatte die Sabotage des Seils bereits gezeigt, dass einer ihrer vormaligen Kollegen der Expedition feindlich gesinnt war. Es musste die gleiche Person sein, denn mit Zufall hatte das nichts zu tun.
Sie blickte Forster an, der noch immer vom Fieber zitterte; seine Haare schweißnass. Es sah aus, als wäre er ernsthaft krank, aber seit ihre Paranoia entfacht war, konnte sie nicht mehr ganz sicher sein.
Du bist dumm, sagte sie sich. Wenn Forster sie hätte töten wollen, hätte er reichlich Gelegenheit dazu gehabt, als sie beide allein gewesen waren. Wem konnte sie also trauen?
Sie zwang sich, sich darauf zu konzentrieren, ihre eklig feuchten, verdreckten Kleidungsschichten auszuziehen und in eine Plastiktasche zu stecken, wo sie hoffentlich bleiben würden, bis sie Sarvar und funktionierende Waschmaschinen erreichten. Sie schaffte es, sich mit dem Handdesinfektionsmittel zu waschen und mit einem Handtuch abzutrocknen, gefolgt von der üblichen Nummer, die einem Limbotänzer alle Ehre gemacht hätte und doch nichts weiter war als der Versuch, ihren letzten Satz saubere Kleidungsstücke anzuziehen.
Forsters Karabiner lag auf dem Sitz neben ihm. Sie überprüfte ihn und schlang ihn sich über die Schulter. Die automatische Pistole, die Raddon immer im Handschuhfach mitführte, stopfte sie in ihre Parka-Tasche. Dann schloss sie die Tür auf.
»Ich gehe jetzt zum MTJ rüber«, sagte sie zu Antrinell.
»Ich werde dir den Rücken decken«, antwortete er.
Angela trat in die bösartige Nacht von St Libra hinaus. Wind peitschte auf den Pelz ein, der ihre Kapuze säumte, und Schneeflocken schwirrten durch die Lichtbündel der Scheinwerfer. Über ihr loderten die veränderlichen Falten des nördlichen Polarlichts in kaltem Blau phosphoreszierend inmitten der Sterne. Sie sah sich unruhig um und machte sich auf den Weg zum MTJ-2.
Wem konnte man trauen? Wem?
Donnerstag, 2. Mai 2143
Clayton North verhielt sich in Gegenwart von Sarah Linsell vorsichtig. Die HDA-Agentin war klug und ging außerordentlich professionell vor. Sie lächelte nie bei der Arbeit, und ihre dicken, kastanienbraunen Haare waren so geschnitten, dass sie ihr genau bis auf die Schulter reichten, als hätten sie den Befehl erhalten, nicht weiterzuwachsen. Das perfekt geschnittene blaue Kostüm, zu dem sie eine weiße Bluse trug, war so klischeehaft, dass es genauso gut eine Uniform hätte sein können. Darüber hinaus brachte sie all denen, die zusammen mit Sid Hurst gekommen waren, um bei der Überwachungsoperation zu helfen, eine Menge Misstrauen entgegen. Aber vielleicht ärgerte sie sich auch einfach nur über deren Anwesenheit. Clayton musste zugeben, dass er, Ian und Eva in der Tat beinahe überflüssig waren.
Die Operation wurde von der HDA-Basis auf dem Hang oberhalb von Last Mile aus durchgeführt. Allerdings konnten sie das Gateway und die gewaltige Ansammlung von Wirtschaftsunternehmen nicht sehen. Der lange Raum, den Linsell in Beschlag genommen hatte, befand sich im Zentrum des Betonbollwerks der Basis, und zwar im zweiten unterirdischen Stockwerk.
Clayton stellte nur ein toleriertes Anhängsel für das siebenunddreißig Mann starke Team dar, das eingeflogen worden war, um Sherman und seine Bande zu überwachen. Auf jeden von ihnen – Sherman, Aldred, Boz, Jede, Ruckby – war ein eigenes Überwachungsteam angesetzt worden, dessen Aufgabe darin bestand, zu jedem Zeitpunkt über den Aufenthaltsort und die Aktivitäten des jeweiligen Zielobjekts Bescheid zu wissen. Selbst um Valentina kümmerten sich zwei Beobachter, nur für den Fall, dass sie eine aktivere Rolle spielte, als sich bei Sids Untersuchung bisher ergeben hatte.
Mikrodrohnen flatterten lautlos über die Stadt und folgten ihrer Beute. Autos, die jede Stunde getauscht wurden, glitten ebenfalls geräuschlos durch die Straßen und folgten der Bande auf jeder
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