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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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wenn wir zurück sind. Wenn wir uns beeilen, ist noch ein festes Eis auf dem See. Wir werden eisfischen, und ich koche uns eine echte Fischsuppe.«
Samuels Blick kehrte von irgendwo zurück in die Wirklichkeit. Er sah Otis erstaunt an. »Was, du kannst kochen?«
»Aber ja«, entgegnete Otis vergnügt, »das ist ein Spaß, vielleicht noch interessanter, als Marsfossilien zu sammeln.«
»Komisch«, sagte Samuel. Er saß noch immer in der gleichen entspannten Haltung im Sessel, das Profil Otis halb zugewandt. »Ich wußte nicht, daß du so etwas kannst.«
»Ist auch nicht so wichtig«, sagte Otis.
»Doch, das ist wichtig«, widersprach Samuel. »Was sonst? Wir sind seit zehn Monaten unterwegs, da sollte man so etwas voneinander wissen. Wir haben die Zeit seit dem Start von der Erde schlecht genützt.«
»Wir hatten anderes zu tun. Die Geheimnisse des Pluto wollten gelüftet sein. Tausende von Daten waren auszuwerten. Wir wollten weiter, wir gönnten uns keine Pause. Immer weiter.«
»Nun haben wir Zeit.«
»Nein, wir haben nie Zeit. Wir sind immer ihre Sklaven, auch jetzt, gerade jetzt.«
»Ich habe eine Überraschung für dich«, rief Samuel plötzlich. Er sprang auf. »Warte, ich hole sie!« Er verschwand in einem kleinen Nebenraum. »Wir müssen daran denken, daß du in einigen Tagen wieder laufen wirst. Die Knochengewebsbildung ist durch die Medikamente stark beschleunigt. Du wirst allerdings zu Anfang noch eine kleine Hilfe brauchen!«
Hastig atmend kletterte er durch das schmale Schott zurück. In den Händen hielt er zwei Krücken. Lachend schob er sich die Stützen unter die Arme und hinkte unbeholfen näher. Es wirkte komisch. Otis brach in Gelächter aus.
Als er im diffusen Licht die Züge des Freundes erkennen konnte, endete sein Lachen in einer hilflosen Geste. Samuels Gesicht sah aschfahl aus, Schweiß bedeckte seine Stirn, die Wangenknochen stachen unnatürlich hervor, die Lippen schimmerten in bläulichem Ton.
»Warum starrst du mich so an? Ich habe die Krücken gemacht, während du schliefst. Aber du wirst schon zurechtkommen.«
»Samuel«, flüsterte Otis, »ist dir nicht gut?«
»Ich bin ein bißchen müde«, antwortete Samuel ausweichend. »Ist schließlich kein Wunder«, versuchte er zu scherzen, »ich kann mich nicht den ganzen Tag im Bett herumdrücken.«
»Du bist krank.«
»Unsinn. Ich mach’ etwas zu essen. Du hast sicherlich Hunger.« Samuel lehnte die Krücken gegen Otis’ Bett und wandte sich hastig ab.
»Samuel! Wieviel Röntgen hast du erwischt?«
»Nicht der Rede wert. Weniger als du, viel weniger«, rief Samuel aus der Nische, wo er das Essen zubereitete. »Es waren ausreichend Medikamente da!«
»Wieviel?«
Samuel hantierte geschäftig. Scheppernd stießen Büchsen gegeneinander. Obwohl er das volle Tablett mit beiden Händen balancierte, schwappte bei jedem Schritt etwas Flüssigkeit über. Kaffee und Suppe vermischten sich auf dem Tablett zu einem unansehnlichen Gemenge.
»Wieviel waren es?« fragte Otis unerbittlich.
Langsam und schwankend kam Samuel näher. »Achtzehn Millionen Einheiten, in Millionenpackungen«, sagte er zögernd.
Otis blickte ihn scharf an. Als hindere ihn der Blick weiterzugehen, blieb Samuel mitten in der Zentrale stehen. Er sah auf das Tablett in seinen Händen und schien nicht zu bemerken, daß er es schief hielt. Ein dünnes Rinnsal lief über den Rand und tropfte zu Boden.
»Wenn es so viel waren«, sagte Otis, »dann reicht es.«
Samuel hob den Kopf, er hatte die Augen halb geschlossen. Dann ließ er das Tablett fallen und brach zusammen. Er kniete in der Lache aus dunkler, dampfender Flüssigkeit. Sein Oberkörper rutschte langsam zusammen. Zögernd legte er sich auf die Seite, nur sein Kopf schlug auf, doch er schien es nicht mehr zu spüren. Zusammengekrümmt blieb er liegen.
Fassungslos starrte Otis auf den Gefährten. Eine unbeschreibliche Angst ließ ihn zu jeder Handlung unfähig werden. Als könnte jede Bewegung ein Unglück auslösen, saß er, fast ohne zu atmen, auf seinem Bett. Plötzlich fühlte er sich schutzlos, als wären die Wände des Raumes aus dünnstem Glas und könnten bei der leichtesten Erschütterung auseinanderbersten. Erst als ihn der Sauerstoffmangel dazu zwang, zog er hastig Luft ein.
Er schob die Decke zurück, schwang die Beine über die Kante seines Lagers und setzte vorsichtig einen Fuß auf den Boden. Sich mit den Händen stützend, verlagerte er sein Körpergewicht. Der Schmerz war geringer, als er befürchtet hatte. Doch

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