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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Festung. Nekida nahm kaum das leichte Vibrieren des Bodens wahr. Versunken lauschte er.
    Auf dem Bildschirm wirbelten dichte, gelbe Sandwolken. Schrilles Heulen drang aus den Lautsprechern.
»Schalte doch den verdammten Lärm ab.«
»Das ist Musik, Buck.« Nekida lächelte vor sich hin. »Hörst du? Vater Mars bläst zum Angriff. Die wievielte Expedition wären wir?«
Buck gähnte. »Die fünfte. Hör auf zu quaken, alte Unke. Wir sind viel besser ausgerüstet als die vorigen. Was kann er uns schon anhaben?«
»Stell dir was vor, du hast doch Phantasie.«
»Das ist witzlos«, erwiderte Buck.
    »Vielleicht reicht unsere Macht nicht aus gegen einen ganzen Planeten. Er ist wild.«
»Wir werden ihn zähmen.« Es klang, als gäbe es nichts Belangloseres. »Himmel, wo kommst du her? Du bist ein komischer Kauz. Hast du Angst vor diesem Klumpen Welt mit seinen lächerlichen Giftspindeln und Elgiden?« Er breitete die Arme aus und lachte laut. »Ich werde mich ihnen zum Fraß vorwerfen, damit du ungeschoren bleibst. Aber baut mir ein Denkmal, hörst du, ein wunderschönes Denkmal aus weißem Marmor.«
»Spotte nur«, sagte Nekida.
    »Ich spotte?« Buck zog die Augenbrauen hoch. »Aber du übertreibst: Parkinson stürzte bei der Landung auf der Erde ab, Jefremow verschwand spurlos auf dem Rückflug. U Thabor kehrte, wenn auch nicht vollzählig, zurück. Nur Kubeg-Balin und seine Mannschaft sind auf dem Mars verschollen.«
    Nekida sah auf den Bildschirm. »Ich glaube, der Sturm läßt nach.« Er lauschte angespannt.
Fast lautlos öffnete sich im Rücken der beiden Wachhabenden das Schott. Ein hochgewachsener, schwarzhaariger Mann betrat die Zentrale des Raumschiffs. Sein Teint war von dunklem Rotbraun. Die langen, blauschwarzen Haare fielen ihm bis auf die Schultern.
»Geronimo!« rief Buck freudig aus. »Der edle Häuptling beehrt seine Krieger.«
»Wenn du nicht schon eine Glatze hättest«, sagte der Kommandant freundlich, »würde ich dich nach Art meiner Väter skalpieren.«
Buck lachte ausgelassen.
»Was spricht der Große Manitou?« fragte Nekida.
»Sein Geist ist in Adam den Kyberneten gefahren und ließ ihn eine gute Wetterprognose geben«, erwiderte Geronimo. »Adam hat die Luftaufnahmen geprüft. Die Strecke ist gut befahrbar. In fünf Stunden könnt ihr bei Kubeg-Balins Wrack sein.«
    Dröhnend stob die Schildkröte über die glasigen Krusten. Im Umkreis von hundert Metern war der Sand verbrannt und mit schorfiger Schlacke bedeckt. Das gepanzerte Kettenfahrzeug raste in die Wüste hinaus. Eine Staubfahne wirbelte hinter ihm hoch.
    Wie eine Handvoll zusammengedrängter Orgelpfeifen ragte der Körper des Raumschiffs in den blassen Himmel. Je weiter sich das Fahrzeug entfernte, desto mehr vereinten sich die vorspringenden Rundungen mit den kantig angesetzten Triebwerken und Heckflossen. In der Weite der Sandhügel wirkte das Schiff wie die Ruine einer vergessenen Bastion.
»Ein unheimlicher Planet.« Nekida musterte Bucks Profil. »Ich habe stets das Gefühl, er verbirgt uns etwas.«
    »Einbildung.« Das helle Gesicht des Gefährten war konzentriert, seine Hände lagen auf den Armaturen zu Seiten des Sitzes. Als müßte er Nekida beruhigen, fuhr er fort: »Kubeg-Balin und seine Leute waren sein letztes Opfer.«
»Was sollen wir mit seinen Wüsten?« sagte Nekida. »Wir sollten ihn sich selber überlassen.«
    Buck lachte. »Komm in hundert Jahren wieder, dann wird er den Menschen ein blühender Garten sein. Wir werden seine Rohstoffe ausbeuten, Uran, Titan, Zirkonium. An den Ufern seiner Meere werden große Städte stehen: Er wird eine zweite Erde sein.«
    »Und auf den Plätzen der Städte wird man Denkmäler errichten, nicht wahr, zu Ehren der Marspioniere, die in seinen Wüsten ihr Leben ließen.«
»Was willst du? Kein Fortschritt ohne Opfer. Das Risiko ist eines unserer Lebenselemente.«
    »Phrasen.« Nekida blickte zurück in die leere Wüste. Nur über den Heckbildschirm war der Bug des Raumschiffs inmitten der Sandwellen noch immer zu sehen, verloren wie ein sinkendes Schiff in dem rötlichen Meer. Der Wind drehte und trieb den durch die Kröte aufgewirbelten Sand wie einen durchsichtigen Schleier vor die Silhouette der Rakete.
»Wozu brauchen wir eine zweite Erde?«
     
»Wir haben die Auseinandersetzung gewählt«, beharrte
    Buck. »Das Risiko ist unser Fortschritt.«
»Gibt es eine Alternative zum Risiko?«
»Es gibt keine. Unser Fortschritt ist optimal.«
»Du bist ein Dogmatiker«, erwiderte Nekida.

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