Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
Vom Netzwerk:
überlegte, ob er es als Glück bezeichnen sollte oder als Intuition. Sein Spiegelbild auf dem Sichtschirm zwinkerte ihm zu: deine Nase, alter Junge. Bist ein echter Diamantenschnüffler.
    In solchen Augenblicken war er froh, nie der Versuchung erlegen zu sein, auszusteigen, einen anderen Beruf zu suchen, bequemer zu leben, Menschen um sich zu haben. Nein, nichts konnte ihm das ersetzen.
    Er besaß das Gespür eines Wünschelrutengängers. In der Nähe fündiger Asteroiden bebten ihm die Nasenflügel. Es war eine sonderbare Fähigkeit. Niemand konnte sagen, wie sie entstand. Vielleicht war sein Dasein, fern vom Leben, geeignet, längst vergessene Instinkte wieder zu erwecken. Er war sicher, daß er sich nie würde an ein anderes Leben gewöhnen können. Er brauchte den erbarmungslosen Wettstreit seiner selbst mit all den Geräten, die ihn umgaben und seine Arbeit erleichtern sollten. Jedesmal freute er sich wie ein Kind, wenn es ihm gelang, eine Nasenlänge im voraus zu sein. Diamantenjäger?
    Sein Spiegelbild zuckte mit den Schultern.
Er lächelte ihm zu. Du hast recht. Es ist eine Gier in mir, Sie treibt mich vorwärts. Eines Tages finde ich den millionenkarätigen Diamanten, Saphir oder Opal. Du wirst es sehen!
Der Asteroid übertraf alle seine Erwartungen. Die Steine lagen an der Oberfläche. Opale von nie gesehener Schönheit. Man brauchte sich nur zu bücken.
Mit kräftigen Schritten strebte er zum Raumschiff zurück. Übermütig stieß er sich ab, stieg hoch hinauf, schwebte über den Felsen. Die Sonne glitt über den dunklen Grund, Schatten wanderten.
Hinter einer Felsnadel entdeckte er einen leuchtenden Fleck. Es dauerte unendlich lange, bis er den Asteroiden wieder unter den Füßen spürte.
Kaum eingeschlossen von taubem Gestein, lag der Opal am Grunde eines Talkessels. Er hatte die Größe eines menschlichen Gehirns. Ehrfürchtig, als beträte er ein Heiligtum, näherte sich O’Skryllis. Er kniete nieder und löste ihn mit behutsamer Geste aus dem Schutt.
Es war ein makelloses Stück, voll irisierender Reflexe, reinweiß mit einem tief verborgenen roten Feuer, von kantigkristalliner Form, doch in sich geschlossen: ein unvollendeter Tropfen aus dem Auge eines Gottes, verloren und vergessen. Milchige Schlieren durchfluteten ihn, als atmeten in seinem Innern geisterhafte Schatten.
Der Stein in seiner Hand schimmerte in mildem Feuer. Aus seiner Tiefe drang es brandrot glosend, versteckt hinter weißen Nebeln. Ein Schwingen stieg wie sehnsuchtsvolles Raunen um ihn auf. Er versuchte, den Blick hinter die Grenzen der unbekannten Welt dringen zu lassen. Sie entzog sich seinem Zugriff durch feste Nebelmauern. Doch malte seine Phantasie ihm märchenhafte Universen aus, die sich da drin verbargen.
Es erfaßte ihn wie eine Sucht. Der Verzweiflung nahe, nahm er nichts mehr um sich wahr. Er wollte da hinein, in jene geheimnisvolle, unvergängliche Welt.
Wieviel Zeit war vergangen? Endlich erhob er sich, atmete schwer. Auf der Stirn standen kalte Schweißtropfen. Seine Hände umschlossen den Stein.
Er lachte, doch seine Augen blieben ernst. Zärtlich, als trüge er etwas Verletzliches, schaffte er ihn ins Raumschiff. In der Kabine legte er ihn auf die mit grünem Samt überzogene Platte und versank im Anblick des schimmernden Kristalls.
Das unbekannte Universum lockte halbverhüllt, ließ seinen Blick eindringen, und er mußte seiner unheilvollen Neugier folgen. Nebel wallten um ihn auf, Dünste aus unendlichen Tiefen, die ihn, den Unvorsichtigen, umwebten mit dichtem, undurchdringlichem Gespinst, bis er blind und taub sich im Kreise bewegte und den Ausgang aus dem Labyrinth der kalten Feuer nicht mehr fand. Doch da flammten sie wieder durch den kalten Hauch, gelbgolden, rötlichbraun, mattblau: Irrlichter. Gefährlich war der Eintritt in das Zauberreich.
Aufatmend lächelte O’Skryllis. Welch eine Schönheit hatte er geschaut, gewachsen aus Glut der Unterwelt, einschließend in sich alle Geheimnisse des Alls von seinem Anfang an.
Er strich sich über die Stirn, fühlte sich befreit und glücklich durch den festen Druck seiner Hand. Von einem Stein zum andern glitt sein Blick, umkreiste scheu das unvollendete Oval des letzten Fundes, kehrte zu ihm zurück, flatterte wie ein müder Vogel, um sich wiederum auf ihn zu senken wie auf einen Ruheplatz nach langem Flug.
Als er in die Zentrale ging, nahm er den Stein mit. Er legte ihn auf den Tisch des Kommandantenstandes und bereitete den Start vor. Hin und wieder zwischen

Weitere Kostenlose Bücher