Der unsichtbare Kreis
Oberkörper hin und her, schrie in Abständen leise wimmernd auf.
Mit nicht sehr hoher Fahrt bewegte sich das Raumschiff in die Asteroidenzone hinein. Seine Bahnelemente entsprachen etwa denen einer stark exentrischen Planetoidenbahn. Ein halbes Jahr lang näherte er sich der Sonne, dann entfernte er sich wieder von ihr. Stellenweise brach durch die Außenhaut weißfleckiger Grind.
Als es zwei Jahre später in die Nähe des Merkur gelangte, war es über und über weiß. Die Oberfläche wirkte kantig aufgebrochen, doch war die breite, ellipsoide Form des Raumschiffs noch gut erkennbar.
O’Skryllis sah den Mars entschwinden und die Sonne. Er bewegte sich hinaus in die Tiefe des Kosmos, kehrte wieder, kreiste auf einer ewigen Bahn. Sein Schicksal war furchtbarer als das der Kosmonauten, die steuerlos in die Unendlichkeit abtrieben, verhungernd, erstickend.
Nicht lebend und nicht tot, befand er sich in einem namenlosen Raum, von dem er ungewiß nur wußte, daß er da war. Alles körperliche Sein war erloschen. Nur die Gedanken drehten sich im Kreis. Menschen tauchten auf und Dinge, denen seine Liebe einst gehörte. Um sie und das verlorene Jenseits trauerte er. Jetzt begriff er ihre wehmutsvollen Mienen. Sie galten ihm. Stumm zogen sie vorüber. Sein Ruf erreichte sie nicht mehr. Es war zu spät. Hätte er geschrien, als er noch eine Stimme hatte, hätte er gehaßt, als er noch fühlen konnte. Vielleicht hätte es das Meer der Masken nie gegeben. Nichts war nachholbar. Was nützt jetzt noch seine Trauer um sich selbst. Sie hatte ihn immer begleitet, sein Leben lang.
Trauer.
Resignation.
Tod!
Er wünschte sich, tot zu sein.
Einhundertfünfundzwanzig Jahre später stürzte das Raumschiff auf den Asteroiden Ikarus und zerschellte. Wie zum Hohn blieb er unversehrt. Hätte er doch weinen können.
Dreihundertsiebenundvierzig Jahre lang zog die Undurchdringlichkeit des Alls an seinen Blick vorüber, die Sonne schwoll und verblaßte wieder.
Irgendwann senkte sich sacht ein kugelförmiges Raumschiff auf den Asteroiden. Ihm entstiegen zwei Erwachsene und ein Kind. Der Mann und die Frau waren stumm. Doch die Gedanken des Kindes konnte er vernehmen. Aus seiner Lethargie aufschreckend, beschwor er den Knaben, ihn zu töten.
Die Frau erwachte zuerst. Sie blieb reglos liegen. Was sie erfahren hatte, schien ihr eine kaum noch vorstellbare Entartung. Damit belastet, konnte kein Mensch leben. Sie durfte es nicht zulassen, daß dieses Bild den Jungen prägte. Es würde ihn hemmen, ihn schließlich nach Dingen suchen lassen, die ihn krank machten. Da war die Gefahr, daß er vom Weg abkam, sich in Empfindungen verstrickte, die von den Parseliten schon vor langer Zeit verworfen worden waren. Er würde nie die achtundzwanzigste Stufe erreichen, seine Entwicklung zur absoluten Sanftheit war bedroht. Die Angst trieb sie hoch. Sie taumelte ein wenig, fing sich jedoch wieder.
»Es war grauenvoll.«
Er richtete sich auf. »Es hat mich eher amüsiert. Aber es muß damals schon Menschen gegeben haben, die Sanftheit suchten. Vom Ziel, der schönen, künstlerischen Ausgeglichenheit, waren sie allerdings noch weit entfernt. Der Weg war falsch. Wer sich dem Natürlichen preisgibt, geht zugrunde. Doch eine positive Richtung schien sich abgezeichnet zu haben.«
»Entschuldigst du diesen – O’Skryllis, diesen Vormenschen? Das waren doch diejenigen, welche die Entwicklung hemmten. Willst du ihnen das nachsehen?«
»Wir haben es mit einem Phänomen zu tun. Was immer diesem Vormenschen begegnet sein mag, er war sanft. Er wollte keine rohe Auseinandersetzung. Seine Anbetung des Natürlichen war ein Relikt, nichts weiter. Noch hatte er nicht erkannt, daß es nur einen Weg gibt: das Menschliche, die künstliche Synthese.«
»Das ist ein Aspekt«, entgegnete die Frau sanft. »Doch sein Weg war töricht, frevlerisch. Mit welchem Recht wandte er sich gegen die Vollkommenheit künstlicher Steine, gegen den Fortschritt. Er haßte alles Absolute, weil es ihn an die eigene Unzulänglichkeit gemahnte. Sein Haß war nichts als Schwäche!«
Der Mann stimmte ihr wortlos zu. Als er sprach, hatte seine Stimme einen Klang wie die ihre.
»Ein Irrweg bleibt ein unentschuldbarer Fehler. Ich wollte ihn nicht entschuldigen. Verzeih, wenn ich es nicht klar formulierte. Wir sind einer Meinung! «
Ihr Gesicht glättete sich. »Wir müssen das gespeicherte Bewußtsein löschen. Es könnte sonst im Parseliten weiterexistieren.«
Wieder nickte der Mann. »Wir müssen den Jungen
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