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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Fruttero
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Patrouillenboot der Karabinieri unweit des schwimmenden Bündels halten, sehen die jungen Leute des Sozialen Vereins die letzten Taue vor dem Heck der »Che« aufknüpfen, sehen Minima Malvolio sich Haar und Bluse vor der Fernsehkamera zurecht zupfen. Wir treten näher zu der Gruppe, aber nicht zu nahe, ich muss Distanz wahren, schon weil ich Minima nicht die Schau stehlen darf (sie ist berühmt für ihre Ellbogenpüffe in die Lebergegend) und auch weil ich nicht vorhabe, mich dem, was passieren könnte, allzu direkt auszusetzen. Und mir fällt an diesem Punkt etliches ein, was passieren könnte. Bombenpaket explodiert in der Toscana, Onorevole Slucca in Stücke gerissen; oder auch: Drogentransport (fünf Tonnen) zwischen Follonica und Piombino aufgeflogen. Onorevole Slucca diente als Deckung; oder zumindest: Titanischer Schiffbruch bei Ausfahrt aus dem Hafen. Onorevole Slucca von den Fluten verschlungen. Nein, keinesfalls setze ich einen Fuß auf diese »Che«.
    Die vorletzte Plastikbahn gleitet hinab, nun bleibt noch die letzte, die das Heck verhüllt, und Minima Malvolio ist die offizielle Aufgabe vorbehalten, sie zu lösen. Ein rot angemaltes Tau, das mit zwei anderen Tauen verbunden ist, läuft straff gespannt durch einen am Kai befestigten Ring und dann wieder zurück zur Fähre. Da vorn am Bang muss Onorevole Minima es kappen. Der Vizebürgermeister reicht ihr feierlich die Schere. Sie ergreift sie, will schneiden, aber es ist ein dickes Seil, und vielleicht lässt auch die Schärfe der Schere zu wünschen übrig. Sie ist gezwungen, mühsam zu sägen, statt zu schneiden, feine Fasern lösen sich, das Tau franst ein bisschen, aber es widersteht, die Schnipplerin schafft es offensichtlich nicht. Und da sieht meine Kollegin verzweifelt nach oben, begegnet meinem Blick, winkt mich zu sich. »Komm und hilf mir, Slucca, du kennst dich doch mit so was aus.«
    Und ich sollte doch nur zusehen, laut Migliarini! Die Fernsehkamera surrt, Lauretta steht mit ihrem Mikrophon bereit, der Walfängerpriester lächelt mir wohlwollend zu, alle warten auf meinen erfahrenen Einweiherarm. Und ich gehe, ich schneide, zack, das rote Tau durch, es fliegt weg, die Plastikbahn gleitet ins Wasser, die ganze Fähre ist nun sichtbar. Auf dem Heck ist in schwarzen Buchstaben ihr Name gemalt: »CHE«. Ein kollektives »Ohhh!« ertönt, aber ein ganz anderes als das von vorhin. Es gleicht eher einem »Ohhh!« des Anstoßes, der Empörung, des Schreckens. Denn unter dem »CHE« hat eine derb provokative Hand mit schwarzem Spray die Buchstaben MIMMAFICKER hin gesprüht.
    Ein äußerst starkes Signal, und dazu ein schwerer stilistischer Ausrutscher, auf den Onorevole Minima Malvolio mit einem grimmigen Knurren reagiert: »Das waren die Limited. Das ist ein Sabotageakt dieser gottverdammten Livorneser!«
    Sie wirft glühende Blicke in die Runde, sieht mich, zuckt, stellt den Zusammenhang her. Ich habe mich noch nie so sehr als Nahestehender Migliarinis gefühlt, leider.
    »Jetzt verstehe ich, jetzt weiß ich, warum du hier bist, Slucca, du widerlicher Spion!«
    Das unerbittlich karierte Kostüm ist über mir, ich mache ein paar Schritte zurück, werde aber vom sozialen Verein umringt. Verzweifelt leugne ich: »Ich wusste von nichts, das schwöre ich dir, ich habe geglaubt, ich sei ein Signal des Friedens, Migliarini hat ...!«
    »Migliarini! Natürlich Migliarini! Das ist einer seiner typischen üblen Streiche, und dich hat er geschickt, damit du die Szene genießt und ihm berichtest, du niederträchtiger Spanner, du, du absolut nichtswürdiger Wurm!«
    Ob es wohl auch relativ nichtswürdige Würmer gibt? Ich habe noch Zeit, mich zu fragen. Dann wird sich Onorevole Minima bewusst, dass die Augen der Nation auf sie gerichtet sind, geht auf die Fernsehreporterin zu, entreißt ihr das Mikrophon, stürzt sich auf die Kamera, schlägt die Pranke über das Objektiv.
    »Ihr steckt doch alle unter einer Decke, ihr Bastarde! Das ist eine mit den Medien abgesprochene Aktion gegen mich, das ist ein Komplott!«
    Ich sehe sie mit der unbekümmerten Sportlichkeit eines englischen Fußballfans die Stapellaufflasche ergreifen. »Das sollt ihr mir büßen!«
    Sie hat völlig die Kontrolle verloren. Es entsteht ein Getümmel, wie es eines zivilen Landes unwürdig ist, alle stoßen, drängeln, schreien laut nach Besinnung und Beruhigung, der Walfängerpriester versucht, der Besessenen die Flasche aus der erhobenen Hand zu winden, und brüllt: »Nicht, Herrgott

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