Der Untergang
ideologischen Überwachung der Truppe eingesetzte Oberst Ernst Kaether ernannt und außerplanmäßig um gleich zwei Rangstufen zum Generalleutnant befördert. Als Kaether den Rest des Tages damit zubrachte, aller Welt die ehrenvolle Berufung mitzuteilen, und jedenfalls den hohen Erwartungen nicht gerecht wurde, die in ihn gesetzt worden waren, sah er sich bereits am Abend seines Postens enthoben und zum Oberst zurückgestuft.
General Helmuth Weidling hatte schon an der Schlacht um die Seelower
Höhen teilgenommen. Am 22. April ordnete Hitler an, ihn wegen einer
Eigenmächtigkeit erschießen zu lassen, ernannte ihn aber schon tags darauf
zum Kommandanten des Verteidigungsbereichs Berlin.
Zur gleichen Zeit machte das Gerücht die Runde, daß General
Weidling seinen Gefechtsstand vom Südosten Berlins nach Döberitz im Westen der Stadt verlegt habe. Als Busse und Hitler von der Eigenmächtigkeit des Generals erfuhren, ordneten sie unabhängig voneinander an, Weidling auf der Stelle abzulösen, vor das nächstgelegene Kriegsgericht zu stellen und zu erschießen. Statt aber klein beizugeben, hatte sich der General kurzerhand zum Bunker unter der Reichskanzlei begeben. Schon auf einem der unterirdischen Gänge war er Krebs und Burgdorf begegnet und hatte sie zur Rede gestellt, warum er erschossen werden solle. Nachdem er die Lage in seinem Frontabschnitt beschrieben und vor allem nachgewiesen hatte, daß sich sein Gefechtsstand nach wie vor im Südosten Berlins, »nur ein bis zwei Kilometer von der vordersten Kampflinie entfernt«, befinde, wurden beide Generale »bedeutend liebenswürdiger« und geleiteten ihn kurz darauf zu Hitler in den Tiefbunker.
Mit »aufgedunsenem Gesicht« und den »Augen eines Fieberkranken« habe Hitler ihn empfangen, hat Weidling sich erinnert und, als sie Platz genommen hatten, entsetzt beobachtet, daß das linke Bein des Führers sogar beim Sitzen »in unaufhörlicher Bewegung (war) wie ein Uhrpendel, nur etwas schneller«. Kaum hatte Weidling die Kräfteverhältnisse in seinem Abwehrbereich geschildert, habe Hitler zu reden begonnen, geht der Bericht weiter. Mit zunehmend »größerem Erstaunen« sei er den Ausführungen über die Verteidigung Berlins gefolgt, darüber, wie die russischen Kräfte zunächst im Süden der Stadt »zerschlagen« und anschließend von Steiner, Busse und weiteren inzwischen frei gewordenen Einheiten zum Kampf gestellt und »vernichtet« würden. Gleichzeitig würden »andere Kräfte« die Rote Armee im Norden binden und am Ende die einen im Zusammenwirken mit den anderen zur Entscheidungsschlacht antreten. Noch vom Bunker aus unterrichtete Weidling seinen Stab über den Verlauf der Unterredung und gab einige taktische Anweisungen durch. Aber am folgenden Tag richtete Krebs dem bestürzten General aus, daß Hitler ihn »zum Kommandanten des Verteidigungsbereichs Berlin« ernannt habe. »Es wäre besser, wenn Sie befohlen hätten, mich zu erschießen«, entgegnete Weidling trocken, »dann ginge dieser Kelch an mir vorüber.«
Die Überraschungen hatten damit kein Ende. In den Gesprächen der zurückliegenden Tage war verschiedentlich ein Name aufgetaucht, der im Gerede zunehmend an Gewicht gewonnen und alsbald die verstiegensten Hoffnungen geweckt hatte. Am frühen Nachmittag meldete sich General Krebs bei Heinrici und unterrichtete ihn, daß die bei Magdeburg stationierte 12. Armee unter General Walter Wenck eine Kehrtwende vornehmen und unverzüglich auf Berlin marschieren werde; der Entschluß, hatte Krebs hinzugefügt, habe um so nähergelegen, als die amerikanischen Truppen die Elbe offenbar als Demarkationslinie betrachteten und keine Anstalten machten, den Fluß zu überqueren.
Da die 12. Armee zu einem erheblichen Teil aus fronterprobten, zudem durch frische Kräfte ergänzten Einheiten bestand, war die Zuversicht, die sich an ihren Einsatz knüpfte, nicht ganz grundlos. Doch in Rechnung zu stellen war auch, daß der noch in Aufstellung begriffene Verband über keinerlei Erfahrung im operativen Zusammenwirken verfügte. Bedenklicher noch und in der Fähnchenwelt des Bunkers unberücksichtigt oder gar verdrängt blieb, daß Wenck nicht einen einzigen Panzer zur Verfügung hatte, fast keine Flakabwehr gegen die feindliche Luftüberlegenheit besaß und daß zwei fest zugesagte Divisionen bislang nicht eingetroffen waren und niemals bei ihm auftauchen würden. Hinzu kam, daß sich das Gebiet der 12.. Armee binnen weniger Tage in eine
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