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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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doch, klagte er, einem alternden und verkalkten England »einen zweiten Pitt« geschenkt hätte »anstelle dieses verjudeten halbamerikanischen Trunkenboldes« Winston Churchill. Dann hätte sich das Inselreich mit ganzer Kraft der Erhaltung und dem Wohl des Empire widmen können, während Deutschland bei freiem Rücken seiner Bestimmung gefolgt wäre, »meinem Lebensziel und der Ursache für den Aufstieg des Nationalsozialismus: der Ausrottung des Bolschewismus«.
      Denn der Eroberungszug nach Osten war, wie er es sah, die Bestimmung der deutschen Politik von alters her, und der Verzicht darauf weit schlimmer als das niemals vermeidbare Risiko einer Niederlage: »(Wir) waren zum Krieg verurteilt«, legte er dar. Zu seinem Unglück habe er ihn militärisch zu spät, psychologisch dagegen viel zu früh beginnen müssen. Denn das deutsche Volk sei zu dem großen Schicksalskampf, der ihm aufgetragen war, noch lange nicht bereit gewesen: »Ich hätte zwanzig Jahre dazu gebraucht, eine neue nationalsozialistische Auslese heranreifen zu lassen.« Doch habe ihm dafür die Zeit gefehlt. Seit eh und je sei es die Tragik der Deutschen, »nie genügend Zeit (zu) haben«. Alles andere folge daraus, auch der Mangel an innerer Balance. Inzwischen begreife er es als sein persönliches »Verhängnis, ein Volk zu führen, das so unbeständig und beeinflußbar wie kein zweites« sei, so sprunghaft wie das deutsche, das in seiner Vergangenheit mit einer seltsamen Fühllosigkeit »von einem Extrem in das andere verfallen ist«.
      Gleichzeitig habe er sich aber auch, fuhr er fort, Irrtümer zuschulden kommen lassen und Zugeständnisse gemacht, die durch kein Interesse und keine Notwendigkeit gedeckt gewesen seien. Bei nüchterner Betrachtung müsse er seine Freundschaft zum italienischen Duce zu den großen Irrtümern zählen, die ihn jetzt womöglich den Sieg kosteten. Die Treue zu ihm habe ihn daran gehindert, sowohl in Nordafrika wie in der islamischen Welt insgesamt eine revolutionäre Politik zu führen, zumal seit Mussolini die Lächerlichkeit begangen habe, sich von bezahlten und terrorisierten Kreaturen zum »Schwert des Islam« ausrufen zu lassen. Fast noch fataler sei es auf militärischem Feld gewesen. Der Eintritt Italiens in den Krieg habe den Gegnern augenblicklich erste Siege beschert und damit neue Zuversicht eingeflößt. Zudem habe der vollkommen »idiotische« Überfall auf Griechenland den Beginn des Rußlandfeldzugs um sechs Wochen verzögert und im weiteren Verlauf die Winterkatastrophe vor Moskau bewirkt: »Alles wäre anders gekommen!« sagte er seufzend. Die Vernunft habe ihm eine »brutale Freundschaft« zu Italien vorgeschrieben. Statt dessen habe er immer wieder dem Sentiment des guten Bundesgenossen nachgegeben.
      Es sei, bemerkte Hitler schließlich, überhaupt sein Mangel an Härte gewesen, der ihn um den schon sicheren Sieg betrogen habe. Zugute halten könne er sich lediglich, die Juden, wie er es nennt, »mit offenem Visier« bekämpft und »den deutschen Lebensraum vom jüdischen Gift (gesäubert) zu haben«. In allem übrigen hingegen sei er zu unentschlossen gewesen: als er die deutschen Konservativen nicht rücksichtslos ausgeschaltet, sondern mit diesen »Kavaliers-Politikern« eine revolutionäre Politik zu führen versucht habe; auch als er es in Spanien und Frankreich versäumt habe, die Arbeiter aus den Händen eines »Bürgertums der Fossilien« zu befreien. Überall auf der Welt hätte er die Kolonialvölker zum Aufruhr anstiften müssen, die Ägypter, Iraker sowie den gesamten Nahen Osten - »die islamische Welt bebte in Erwartung unserer Siege«, führte er aus. Wie einfach wäre es gewesen, sie in Gärung zu versetzen: »Man bedenke unsere Möglichkeiten!« Nicht an seinem Radikalismus werde er, wenn er denn scheitern sollte, zugrunde gehen, sagte er, sondern an seiner Halbherzigkeit, an seinem Unvermögen zur letzten Konsequenz. Nichts anderes war die Einsicht, die er früh erworben, hundertfach verkündet und, wie er jetzt erkannte, doch nicht entschieden genug befolgt hatte: »Das Leben verzeiht keine Schwäche!«
      Dieses Versagen hat er sich, wie die Protokolle auch der letzten Lagebesprechungen ausweisen, bis ans Ende zum Vorwurf gemacht. Im Verlauf der Machtergreifung, erklärte er während der Konferenz vom 27. April, sei er während der Monate vor dem Tod Hindenburgs im August 1934 beständig zu Kompromissen gezwungen gewesen. Wieviel radikaler hätte er vorgehen

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