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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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in das Mauerwerk zu schießen. Innerhalb kurzer Zeit füllte sich die Eingangshalle mit nachrückenden Einheiten, die überallhin ausschwärmten und in tiefster Finsternis Zimmer für Zimmer und Stockwerk für Stockwerk erkämpften.
      Erst um Mitternacht Moskauer Zeit war das »Banner Nr. 5« des LXIX. Gardeschützenkorps, das den Sturm auf den Reichstag angeführt hatte, von einer Eskorte ausgewählter Soldaten mit Parteizugehörigkeit auf dem Dach des Reichstags gehißt worden. Später stellte sich heraus, daß einige Artilleristen schon wenige Minuten früher eine Fahne auf dem Gebäude aufgepflanzt hatten, doch wurde ihre Tat als »inoffiziell« erklärt. Auch das bei Tageslicht nachgestellte Foto von der Flaggenhissung zeigt die »offizielle« Mannschaft. Weitab von der Wirklichkeit und in poetisch ungenauer Tonlage heißt es im Bericht des zuständigen Kommandeurs General Perewjorkin: »Erst am Abend, als die Sonne zu sinken begann und mit ihrem rötlichen Strahl den ganzen Horizont beleuchtete, hißten zwei unserer Soldaten die Fahne des Sieges auf der ausgebrannten Kuppel.«
      In Wahrheit dauerten die Kämpfe zumal in den labyrinthischen Kellerverliesen, in denen die Sowjettruppen wie blind herumtappten und oftmals ins gegenseitige Feuer gerieten, bis in die Mittagsstunden des 2. Mai mit unverminderter Härte

    an.

    Das offizielle, aber nachgestellte Foto der Flaggenhissung auf dem eroberten
Berliner Reichstag, aufgenommen von dem berühmten sowjetischen
Fotografen Jewgeni Chaldej.
      Als den Verteidigern die Munition ausging, rangen sie im Dunkeln mit Messern, Spaten und Gewehrkolben Mann gegen Mann weiter. Das Hauen und Stechen hielt noch an, als auf dem nahe gelegenen Pariser Platz bereits die Aufräumarbeiten begannen und in den oberen Stockwerken des Reichstags einzelne Rotarmisten darangingen, ihre Namen in die Wände zu kratzen. Zuletzt, während draußen herbeikommandierte Hausfrauen anrückten, um das Pflaster mit Birkenreisig zu fegen, setzten die Sowjettruppen in den Kellergewölben Flammenwerfer ein. Erst damit kam der Kampf ans Ende.
      Nicht jedoch der Krieg. Die von den Sowjets seit Wochen verbreitete Behauptung, daß die Einnahme des Reichstags das Ende des Krieges bedeute, galt allenfalls noch im symbolischen Sinn. Als Marschall Schukow im Lauf des 30. April General Tschuikow mit der Frage bedrängte, ob er zur Feier des 1. Mai, wie vorgesehen, ganz Berlin erobert haben werde, erhielt er zur Antwort, daß der unerwartet heftige, noch immer anhaltende Widerstand der Deutschen »keine Hoffnung auf eine baldige Kapitulation« erlaube. Die taktischen Mißgriffe vor den Seelower Höhen verlangten noch einmal einen Preis.
      Am Nachmittag wurde bei Rattenhuber abermals Benzin angefordert, da die Leichen am Gartenausgang des Bunkers selbst jetzt noch nicht vollständig verbrannt seien. Kaum war es eingetroffen, kamen Wachposten nach oben, leerten es über den herabgebrannten Kadavern aus oder warfen die offenen Kanister vom Bunker her kurzerhand zu den Toten hinüber. Als der SSUnterführer Hermann Karnau am frühen Abend zu der Verbrennungsstelle kam, waren nur noch die Skelette zu erkennen. Bei seinem Versuch, sie mit dem Fuß in eine Erdvertiefung zu befördern, fielen sie in ganzer Länge, wie von Geisterhand berührt, zu einem flachen Aschenhaufen zusammen. In seiner Unruhe ging Karnau gegen acht Uhr ein weiteres Mal an die Stelle, doch flogen da, wie er ausgesagt hat, »schon die einzelnen Flocken im Wind«.
      Das Ende bleibt ungewiß. Günsche hat versichert, er habe am frühen Abend einen SS-Dienstgrad mit der Beseitigung der Überreste Hitlers und Eva Braun-Hitlers beauftragt, und bald darauf sei ihm auch Vollzug gemeldet worden. Aber weder er noch einer der übrigen Beteiligten hat sich unbegreiflicherweise durch Augenschein vom Ausgang des von Hitler selbst erteilten Verbrennungsauftrags überzeugt. Auch General Baur nicht, dem Hitler ebenfalls das Versprechen abgenommen hatte, für die restlose Beseitigung der Leichen zu sorgen. Nur Bormann und Rattenhuber, heißt es in einer Aussage, seien nach Einbruch der Dunkelheit kurz am Bunkerausgang erschienen. Einem anderen Zeugen zufolge wurden die Rückstände nach Einbruch der Nacht auf eine Zeltplane geschoben, in einen nahen Granattrichter hinabgelassen, Erde darauf geschüttet und mit einem Holzpfahl festgestampft. Aber niemand vermag zu sagen, ob der seit nahezu zwanzig Stunden unvermindert anhaltende Beschuß mit

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