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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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die Breite gewirkt. In zahlreichen Reden und Gesprächen hat er von der Alternative »Weltmacht oder Untergang« gesprochen. In Wahrheit gab es die Alternative nicht. Seine Intention zielte lediglich auf unterschiedliche Formen der Zerstörung.
      Die Verzweiflungsausbrüche der letzten Wochen täuschen nur den oberflächlichen Blick. Desgleichen das selbstbetrügerische Hantieren mit Geisterarmeen, die falschen Siegessignale oder die vielvermerkte Hoffnung, das eigene Leben mindestens tageweise zu verlängern. Dergleichen war im Spiel. Aber stärker noch waren der Welthaß und der Vernichtungsdrang, die sich in Hitlers Anordnungen zumal seit Kriegsbeginn, befreit von allen Rücksichtnahmen, offenbarten. Einem Bericht des zeitweiligen Generalstabschefs Franz Halder zufolge hat Hitler schon im Verlauf des Feldzugs gegen Polen auf der Bombardierung des übergabereifen Warschau bestanden und sich am Feldstecher mit geradezu gierigem Blick von den Bildern der Vernichtung erregen lassen, später dann die Zerstörung von Paris erwogen, auch von Moskau und Leningrad, und sich mit einer Art Lust die verheerenden Wirkungen ausgemalt, die ein Angriff mit Bomben oder Raketen in den Straßenschluchten von Manhattan haben mußte.
      Zu viele seiner Zerstörungsaffekte waren ins Leere gegangen. Jetzt endlich, als das Reich in Stücke barst, kam er mit diesem tiefsten Bedürfnis doch noch zum Zuge, und man kann sicher sein, daß ihm das Untergangsgeschehen der letzten Wochen

    stärkere Befriedigung schenkte als irgendeiner der flüchtigen Siege von ehedem.

    Das Regime setzte alles daran, daß mit dem Ende der eigenen Herrschaft das
Land buchstäblich unterging. Ein Gefallener auf den Stufen des Osttrakts der
Reichskanzlei Anfang Mai 1945.
      Schon die Zerstörungen des Bombenkriegs hatte er mit dem Bemerken begrüßt, zwar hätten sich die alliierten Luftflotten nicht an die Pläne zur Neugestaltung der deutschen Städte gehalten, doch ein Anfang sei immerhin gemacht - und was daran ironisch klang, war kalter Ernst gewesen.
      Gewiß liegt die Vermutung nahe, daß er den Schlußakt gern grandioser ausgerichtet hätte, weniger ratlos, opernhafter womöglich auch, sowie mit einem größeren Aufwand an Pathos, Grauen und apokalyptischem Salut. Aber es war doch ein Abgang von erinnerungswürdigem Zuschnitt. Der Ruhm jedenfalls, den er ein Leben lang gesucht hatte, war niemals nur der eines Staatsmanns gewesen, des Herrschers über einen autoritären Wohlfahrtsstaat oder der des großen Feldherrn. Für jede dieser Rollen war, neben vielem anderen, zuviel Wagner und zuviel Untergangsverlangen in ihm. Als Halbwüchsiger hatte er im Stehparkett der Linzer Oper erstmals einer Aufführung des »Rienzi« beigewohnt, der Geschichte eines spätmittelalterlichen Empörers und Volkstribunen, der am tragischen Unverständnis der Welt zerbricht und schließlich Tod und Selbstvernichtung wählt. »In jener Stunde begann es!« hat er noch Jahrzehnte später glücklich bekannt. Jetzt, wieder einige Jahre weiter, endete es mit kaum geringeren Hochgefühlen.
      Die Wendung gegen das eigene Volk, die er damit vollzog, hat Hitler nicht nur in Kauf genommen, sondern sich mit wachsender Radikalität sogar zu eigen gemacht. Schon am 27. November 1941, als bei Beginn der Winterkatastrophe vor Moskau erstmals die Möglichkeit des Scheiterns aufgetaucht war, hatte er gleich zwei ausländischen Besuchern gegenüber erklärt, das deutsche Volk solle »vergehen und … vernichtet werden«, wenn es einmal »nicht mehr stark und opferbereit genug« sei, sein »Blut für seine Existenz einzusetzen«, er werde ihm »keine Träne nachweinen«. Und zu Albert Speer hatte er am 19. März 1945 »in eisigem Ton« gesagt: »Wenn der Krieg verlorengeht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.«
      Allen seinen Entscheidungen war spätestens seit Stalingrad und der Wende des Krieges immer auch das Motiv enttäuschten Hasses gegen die Deutschen beigemischt. Es hat die gesamte Strategie der letzten Phase bestimmt, angefangen von der ständig wiederholten

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