Der Untergang
Trauergesellschaft vorbei in das große Konferenzzimmer, die Beine hingen, wie der eine und andere der Beteiligten überliefert hat, aus der Decke heraus und schaukelten leblos hin und her. Dahinter folgte Bormann mit der Leiche der Frau.
Als erster fand Goebbels die Sprache wieder. Er werde jetzt nach oben zu seinem Ministerium am Wilhelmplatz gehen, erklärte er, und so lange umherlaufen, bis eine Kugel seinem Leben ein Ende mache. Während alle in schuldiger Ergriffenheit das Geschehene beredeten und besorgt das Weitere erörterten, kam plötzlich der Leiter des Kraftwagenparks, Erich Kempka, in den Raum gestürzt. Ahnungslos, wie er war, stellte er Günsche zur Rede und wollte wissen, was das Durcheinander zu bedeuten habe und ob Günsche »wahnsinnig« geworden sei, bei dem wilden Artilleriefeuer die Lieferung von einigen Kanistern Benzin zu verlangen. Als Günsche ihn zur Seite nahm und, noch immer vom Entsetzen gezeichnet, sagte: »Der Chef ist tot!«, starrte Kempka ihn fassungslos an. »Wie konnte das passieren?« rief er seinem eigenen Bericht zufolge. »Gestern habe ich doch noch mit ihm gesprochen! Er war gesund und völlig aufgeschlossen!«
Nachdem er seinen ersten Schock überwunden hatte, schloß sich Kempka am Fuß der Treppe den Trägern an, die den Leichnam Hitlers nach oben schafften, während Günsche den Körper der Frau übernahm. Am Gartenausgang gab es einigen Aufenthalt, weil die Geschoßeinschläge Linge, Högl und die übrigen immer wieder zurücktrieben. Erst nach mehreren Anläufen gelang es ihnen, die Toten wenige Meter vom Bunker entfernt niederzulegen. Dann trat Bormann heran, schlug die Decke über Hitlers Gesicht zurück, verharrte für ein paar Sekunden und drängte sich anschließend ins Geschiebe am Ausgang zurück. Trotz der fortdauernden Beschießung und der lodernden Brände ringsum, unter dem Hagel von Splittern, Mauerbrocken und herumfliegendem Erdreich, leerten sie schließlich bis zu zehn Kanister des bereitgestellten Benzins über den Toten aus. Dann warfen sie brennende Zündhölzer hinterher, die aber im herrschenden Feuersturm immer wieder erloschen.
Günsche hatte bereits, um endlich voranzukommen, eine Handgranate beschafft, doch zog Linge einige Formulare aus seinem Ärmelaufschlag und drehte sie zu einer papierenen Fackel zusammen. Als das Schießen für kurze Zeit schwächer wurde, entzündete er sie und schleuderte sie weit ausholend zu den Leichen hinüber.
Mit einem lauten Verpuffungsknall schlug unmittelbar darauf eine mächtige Stichflamme hoch, und die Versammelten standen stramm. Nacheinander traten sie dann im Innern des Treppenaufgangs bei zeitweilig geschlossener Tür nach vorn und hoben den Arm zum Hitlergruß. Schwarzer Qualm und aufwirbelnder Schutt hüllten die Feuerstelle ein, und das letzte, was sie durch den Türspalt beobachteten, war, wie die Körper erst zusammenschrumpften und einzelne Gliedmaßen sich dann in der Glut gespensterhaft aufbäumten.
Um die gleiche Zeit liefen sowjetische Truppen unter dem wütenden Widerstand der Verteidiger gegen den nahen Reichstag an. Aus irgendeinem Grund, der auf dunkle Weise mit dem Brand des Gebäudes Ende Februar 1933 und dem nachfolgenden Prozeß gegen die angeblich kommunistischen Brandstifter zusammenhing, hatte die sowjetische Führung nicht die Reichskanzlei oder das Brandenburger Tor, sondern die leerstehende Ruine am Königsplatz zum »Wahrzeichen Berlins« erkoren. Schon an der Oder waren an mehrere Einheiten besondere Fahnen für die Eroberung des »deutschen Kreml« ausgegeben worden.
Noch vor dem Morgengrauen hatten die sowjetischen Truppen mit dem Angriff gegen das auf allen Seiten vermauerte Gebäude begonnen, waren aber im Feuer, zumal aus der Ruine der nahen Krolloper, liegengeblieben. Mit einem großen Aufwand an Panzern, Geschützen und Raketenwerfern, die teilweise in den oberen Stockwerken des gegenüberliegenden Innenministeriums in Stellung gebracht worden waren, hatten sie den Sturm im Lauf des Vormittags wiederholt, ohne weiter als bis zum gefluteten Durchstich des Eisenbahntunnels zu gelangen. Auch ein neuerlicher, nach massiver Artillerievorbereitung zur Mittagszeit vorgetragener Angriff war im Feuer gescheitert, so daß die sowjetische Führung beschloß, den Anbruch der Dunkelheit abzuwarten. Erst diesmal gelang es einigen wenigen Angreifern, bis an die Stufen des Reichstags vorzudringen und mit Hilfe zweier flach gerichteter Mörser eine Öffnung
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