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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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Granaten und Flammenöl derartig aufwendige Verrichtungen überhaupt erlaubte.
      Von Rattenhuber wird berichtet, er habe bei seinem späten Besuch am Ort der Verbrennung unter Tränen gesagt: »Zehn Jahre habe ich dem Führer gedient, und jetzt liegt er hier.« Tatsächlich konnte der Bruch kaum schroffer sein. In einem der pathetisch hochgezogenen Bilder seines Endes hatte Hitler seine Begräbnisstätte in gebieterischer Höhe auf dem Dach des Glockenturms gesehen, der das neugestaltete Donauufer seiner Heimatstadt Linz beherrschen sollte; nun fand er sein Grab in einer Trümmerwüste hinter der zerstörten Reichskanzlei, eingestampft in das vom Dauerbeschuß umgepflügte Erdreich zwischen zersprengten Betonbrocken, Schuttbergen und aufgehäuftem Unrat.

    S ECHSTES K APITEL Der Wille zum Untergang

      Erst das Ende eines Lebens oder einer historischen Erscheinung, heißt es, bringe die wahren Antriebselemente zum Vorschein, die dafür bestimmend waren. Zu den Fragen, die Hitlers Abgang aufgeworfen hat, zählt, ob er sich bei dem Pistolenschuß, mit dem er am Nachmittag des 30. April 1945 aus dem Leben ging, als gescheitert angesehen hat. Die Antwort ist keineswegs so offenkundig, wie es auf den ersten Blick erscheint, und jeder nachdenklichere Beobachter hat Zweifel daran vorgebracht.
      Denn was sich zumal in den letzten Monaten vor dem Mai
    1945 ereignete, waren nicht nur die unvermeidlichen Schrecken einer totalen Niederlage: zerstörte Städte, Millionen auf der Flucht, Chaos überall. Vielmehr schien bis in die späten Zuckungen des offensichtlich längst besiegten Reiches eine lenkende Energie am Werk, die darauf hinwirkte, daß nicht nur der Krieg verlängert wurde, sondern das Land buchstäblich unterging.
      Schon im Herbst 1944, als die Gegner sich den deutschen Grenzen näherten, hatte Hitler eine Anzahl von Befehlen ausgegeben, die das auf den Rückzügen in Ost und West verschiedentlich angewendete Prinzip der »Verbrannten Erde« auf das Reichsgebiet ausweiteten. Alle Einrichtungen, ordnete er mit wachsendem Nachdruck an, die der Aufrechterhaltung des Lebens dienten, müßten zerstört werden: die Industriewerke und die Versorgungsanlagen, die Kanalisationssysteme, Eisenbahnstrecken und Telefonverbindungen; jede Brücke war zu sprengen, jeder Bauernhof niederzubrennen, und selbst die Kunstdenkmäler und historischen Bauwerke sollten nicht davon ausgenommen sein. Einige Monate später, am 19. März 1945, hatte Hitler sodann im sogenannten »Nerobefehl« unter dem bezeichnenden Titel »Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet« seine Absicht, eine »Zivilisationswüste« zu schaffen, noch einmal offen bekräftigt: »Alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebiets, die sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.« Mehrere Durchführungsbestimmungen legten die Einzelheiten fest.
      Vielerorts wurde daraufhin unverzüglich mit der Demolierung von Fabriken, Förderbetrieben oder Lebensmittellagern begonnen, die Sprengung von Gleisanlagen sowie die Unbrauchbarmachung von Wasserstraßen durch die Versenkung zementbeladener Frachtkähne vorbereitet. Gleichzeitig wurde, wie schon beim Durchbruch der amerikanischen Verbände im Westen, die Praxis verschärft, ganze Städte und Landstriche zu evakuieren, obwohl die führungslos herumirrenden Massen das Durcheinander in den Frontgebieten nur vermehrten und alle militärischen Operationen behinderten. Als einer der Generale versuchte, Hitler den sogenannten Räumungserlaß auszureden, weil man nicht Hunderttausende ohne Transportmittel, Verpflegung, Unterkunft und was sonst alles nötig sei, querfeldein losschicken könne, wandte er sich wortlos ab. Ein »Flaggenbefehl« ordnete an, daß in Häusern, die eine weiße Fahne heraushängten, alle männlichen Bewohner auf der Stelle zu erschießen seien. Der Kampf, hieß es in einer Weisung von Ende März, sei »auf das fanatischste zu aktivieren. Irgendwelche Rücksichten auf die Bevölkerung können hierbei zur Zeit nicht genommen werden.«
      Man mißversteht diese Befehle, wenn man sie als letztes, verzweifeltes Mittel zur Verteidigung angesichts eines übermächtig heranrückenden Gegners versteht. Sie waren vielmehr allezeit Hitlers erstes und bevorzugtes Mittel gewesen, der Demolierungsvorsatz nichts anderes als der Ausdruck seiner

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