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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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prüfen, blieben vergeblich. Zwar hat er, vor allem seit dem Wendepunkt des Krieges im Winter 1942/43, die Fortsetzung des Kampfes immer wieder mit dem Argument begründet, daß der Bruch der »widersinnigen Koalition zwischen Bolschewismus und Kapitalismus« unmittelbar bevorstehe und dann erst der Zeitpunkt für aussichtsreiche Verhandlungen gekommen sei. Aber wann immer sich eine Gelegenheit bot, die Entzweiung der gegnerischen Mächte voranzubringen, hat er sie ungenutzt vorübergehen lassen, und Goebbels schrieb mißgestimmt in sein Tagebuch, er dränge und dränge, doch habe man »manchmal den Eindruck, als lebte er in den Wolken«. Sebastian Haffner hat daran die Überlegung geknüpft, daß Hitler alle konstruktive Phantasie des Staatsmanns gefehlt und er, zumindest seit den späten dreißiger Jahren, auch jede taktische Beweglichkeit eingebüßt habe. Nichts anderes als dieser »Mangel seiner Begabungsausstattung« sei schließlich zur Ursache seines Scheiterns geworden.
      Man kann noch weiter gehen und zu dem Urteil kommen, daß er zeitlebens nur ein hochgekommener Bandenführer war, gewaschen zwar mit allen Wassern eines verwegenen GassenMachiavellismus, dem keiner der umständlichen und besorgten Politiker auf der europäischen Szene gewachsen war. Doch eben diese völlige Bedenkenlosigkeit der Mittel wie der Zwecke hat ihm eine Zeitlang zu seinen vielbestaunten Erfolgen verholfen. Wie ein Bandenführer verfolgte er keine Absicht, die über die Idee des Niedermachens und Zusammenraffens hinausging. Die Auseinandersetzung jedenfalls, die er mit wachsendem Mutwillen gegen nahezu die ganze Welt begann, hatte bezeichnenderweise, wie schon seine Generale und später alle Beobachter nicht ohne Verblüffung wahrgenommen haben, kein halbwegs beschreibbares Kriegsziel. Im Februar 1941, als er sich noch in der Vorstellung wiegte, den Feldzug gegen die Sowjetunion bereits im kommenden Herbst beendet zu haben, forderte er, in Sorge vor dem drohenden Frieden, von Jodl die »studienmäßige Bearbeitung« eines Aufmarschs gegen Afghanistan und Indien.
      So hat denn auch, wer je von ihm erfahren wollte, worauf es mit dem Krieg hinaussollte, nur die überspannten Visionen von »unendlichen Räumen« zu hören bekommen, die Tiraden von unermeßlichen Rohstoffvorkommen, Hilfsvölkern und »ewig blutenden Grenzen«. Nicht einmal die Vermerke vom Februar und April 1945, die eine Art Postskriptum seiner Herrschaftsvision bildeten, enthalten den geringsten Hinweis darauf, daß er in den eroberten Gebieten je etwas anderes gesehen hat als Aufmarschgebiete für weitere Eroberungen - zäh, unersättlich und richtungslos, einzig unterworfen dem verlorengegangenen, doch von ihm, wie er meinte, wiederaufgerichteten »Urgesetz« des Daseins vom Recht des Stärkeren. Als sein Außenminister ihn im Herbst 1943 dazu überreden wollte, einen Moskauer Friedensvorstoß nicht ins Leere laufen zu lassen, antwortete er achselzuckend: »Wissen Sie, Ribbentrop, wenn ich mich heute mit Rußland einige, packe ich es morgen wieder an ich kann halt nicht anders.«
      Er wolle, hat Hitler bei Gelegenheit bemerkt, als ein Mann in die Geschichte eingehen, »wie es ihn nie gegeben hat«. Die Umstände seines Endes in jenem »Todesgewölbe«, von dem einer der Bunkerbewohner gesprochen hat, die ohnmächtigen Befehle und Wutanfälle, mit denen er sich gegen die heranrückende Niederlage gestemmt hat, erwecken den Eindruck, er habe eine Vorstellung seines heillosen Scheiterns gehabt. Aber ein großer Untergang kam, wie er glaubte, für vieles auf und war auch eine Erfüllung. Bezeichnenderweise war Hitlers letzte Willensäußerung, die noch einmal wie im Symbol den beherrschenden Antrieb seines Lebens aufdeckt, ein Zerstörungsbefehl: die am Mittag des 30. April erteilte Anweisung zur Verbrennung seiner Leiche.

    SIEBTES KAPITEL
    Kapitulationen

    Am Abend des 30. April, nachdem die Leichen verbrannt und
    die Aschenreste verscharrt waren, kam die Runde der führerlos Verbliebenen zu einer ausgedehnten Beratung zusammen. Nach einigem Hin und Her schlug Bormann einen kriegsmäßigen Massenausbruch mit Hilfe der einigen hundert Angehörigen der »Leibstandarte« vor, die zum Schutz der Reichskanzlei kommandiert waren. Doch Mohnke wies die Versammelten darauf hin, daß ein solches Vorhaben aussichtslos und geradezu absurd sei. Schließlich einigte man sich, zunächst Verhandlungen mit dem sowjetischen Oberkommando aufzunehmen und General Krebs zu

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