Der Untergang
Schwägermann und einige SSDienstgrade schafften daraufhin noch einmal Benzin herbei, gössen es im Arbeitsraum Hitlers aus und zündeten es an. Da sie aber beim Verlassen des Bunkers die abgedichtete Stahltür verschlossen hatten und die Ventilation abgeschaltet war, konnte sich das Feuer nicht ausbreiten und hinterließ nur einige geschwärzte Möbel sowie zahlreiche Brandflecken.
Unterdessen teilte Mohnke den zusammengerufenen Kommandeuren der im Regierungsviertel stationierten Einheiten die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Stunden mit. Er unterrichtete sie über Himmlers Verrat und die Exekution Fegeleins, die Hochzeit und den Selbstmord des Ehepaars Hitler sowie der Familie Goebbels, die gescheiterten Entsatzversuche durch Wenck, Steiner, Holste und Busse sowie die ergebnislos abgebrochenen Verhandlungen zwischen Krebs und Tschuikow. Anschließend schickte er die bestürzte Offiziersrunde, die von diesen Vorkommnissen nur vereinzelt und allenfalls gerüchtweise gehört hatte, mit dem Bemerken zu ihren Einheiten zurück, daß der Stadtkommandant General Weidling verfügt habe, die Kämpfe eine Stunde vor Mitternacht einzustellen. Jeder Verband, setzte er hinzu, solle versuchen, sich nach Norden durchzuschlagen und, wenn möglich, den Befehlsraum der Regierung Dönitz zu erreichen.
Kurz vor elf Uhr begann der Auszug der Bunkerbewohner. Krebs und Burgdorf blieben zurück. Mohnke hatte zehn Gruppen zu jeweils zwanzig oder mehr Personen gebildet. Im Abstand von wenigen Minuten kamen sie aus dem Kellerfenster unterhalb des Führerbalkons an der Reichskanzlei hervorgekrochen, überquerten den verwüsteten, von Bränden taghell erleuchteten Wilhelmplatz und verschwanden dann, rutschend und stolpernd, im schuttüberhäuften Eingang zum UBahnhof » Kaiserhof«. An den Gleisen entlang machten sie sich gleichsam unter den russischen Linien auf den Weg zur Station »Friedrichstraße« und von dort, so war es geplant, im U-BahnTunnel unter der Spree zum Stettiner Bahnhof. Der blasse Schein der Taschenlampen, die einige dabeihatten, fiel auf Tote, Verwundete oder Schutzsuchende, die dicht zusammengedrängt an den Schachtwänden oder auf den Schwellen kauerten, überall lagen Uniformteile, Gasmasken, Munitionskästen und Unrathaufen herum. Nahe dem U-Bahnhof »Stadtmitte« war in einem abgestellten Wagen ein Verbandsplatz eingerichtet, in dem ein paar Ärzte bei Kerzenlicht Verwundete und Sterbende versorgten.
Die erste Gruppe mit Günsche, Hewel, Voß und den Sekretärinnen führte Mohnke selber, die zweite Rattenhuber, und der dritten Gruppe, die Naumann übernommen hatte, gehörten Baur und der in der Uniform eines SS-Generals erschienene Martin Bormann an, der noch am Morgen Dönitz in einem Funktelegramm mitgeteilt hatte, daß er »so schnell wie möglich« zu ihm kommen werde. Hitlers Fahrer Erich Kempka führte eine Gruppe, die überwiegend aus Mannschaftsgraden und dem Personal der Reichskanzlei bestand und an die hundert Personen umfaßte.
Die ursprüngliche Absicht, Verbindung untereinander zu halten, stellte sich bald als undurchführbar heraus. Schon unmittelbar nach dem Einstieg in den U-Bahnschacht riß der Zusammenhalt ab, und wenig später fielen in der lichtlosen Tunnelwelt auch die einzelnen Gruppen auseinander. Einige der Ausgebrochenen lösten sich aus ihrem Verband und versuchten an einem der Stationsaufgänge ins Freie zu kommen, wurden aber vom fortdauernden Beschuß und den Steinschauern überall in die Schächte zurückgetrieben. Der im Verlauf der Vorgespräche entwickelte Plan, durch die russischen Linien hindurchzusickern und sich im Norden der Stadt, vor oder bei Oranienburg, einer vermeintlich weiterkämpfenden Einheit anzuschließen, erwies sich angesichts der Umstände als vollkommen widersinnig.
Im Herumirren stießen einige der am Ausbruch Beteiligten irgendwo wieder aufeinander. Bormann wurde gegen zwei Uhr nachts erschöpft und unschlüssig auf der Steintreppe eines Hauseingangs in der Chausseestraße gesehen. Andere schlugen sich auf Trampelpfaden, durch Kellerfluchten und über Hinterhöfe zu der Schultheißbrauerei an der Schönhauser Allee durch, die als einer der vorläufigen Sammelpunkte bezeichnet worden war. Viele kamen in den noch immer anhaltenden, oftmals Panzer gegen Panzer geführten Straßenschlachten oder Häuserkämpfen um. An der Weidendammer Brücke fielen Högl und Hitlers zweiter Flugkapitän Betz; Walter Hewel verübte, womöglich aufgrund
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