Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
geschah nichts, dann aber war es ihr, als formten sich Worte einer unbekannten Sprache in ihrem Kopf. Es war nur ein Brummen, nichts, was sie hätte verstehen können, aber es war doch da. Verlor sie jetzt endgültig den Verstand? Oder wachte sie endlich aus diesem Albtraum auf?
Sie konzentrierte sich auf das Brummen und bemerkte nur am Rande, wie das Leuchten des Amuletts noch stärker wurde, begleitet von einem Aufleuchten in den Augen des Drachens, der urplötzlich wieder den Kopf hob. Dann verstand sie plötzlich eines der Worte und vor Schreck ging sie in die Knie. Alle restliche Kraft, über die sie noch verfügte, schien sie endgültig verlassen zu haben.
Etwas Fremdes, vollkommen anderes schien in sie einzudringen. Sie versuchte es zurückzudrängen, kämpfte dagegen an, aber es war zu stark. Eine Macht, die so ursprünglich, so gigantisch war, dass sie dagegen nicht den Hauch einer Chance hatte.
Selbst wenn sie es gewollt hätte – eine Flucht war nicht mehr möglich, da ihre Beine schlicht nicht mehr ihrem Willen gehorchten. Wärme schoss durch ihren Körper und für einen letzten Moment fragte sie sich, ob sie jetzt sterben musste. Dann kam die Flut der Bilder und sie kippte ohnmächtig zu Boden.
***
Eneas hatte Mela und Orcard zunächst in den großen Saal geführt, dann durch den entdeckten Zugang in einen kreisrunden Raum, wo er stehen geblieben war. Niemand von ihnen hatte ein Wort gesagt, alle standen sie noch unter dem Eindruck der Trennung von den anderen.
Mela war traurig, denn sie fürchtete um das Schicksal von Lal, Anda und Xarina, aber letztlich war es ihre Entscheidung gewesen, auf Hendran zu setzen. Und vielleicht hatten sie sich ja auch richtig entschieden.
Neugierig schaute sie sich um, konnte zunächst aber nichts Besonderes erkennen, bis Orcard mit seiner Fackel den Raum ausleuchtete.
Der Raum selbst war leer und unscheinbar, wären da nicht die Schriftzeichen auf der ihnen gegenüberliegenden Wand gewesen. Es war eine Schrift, die sie nicht kannte, aber die Macht und Schönheit, die von ihr ausging, war nicht zu verkennen.
Es waren eher Figuren als Worte, die dort angebracht worden waren, als hätte jemand sie gemalt. Dabei strahlten sie eine fast magische Anziehungskraft auf Mela aus. Sie erinnerten sie an die Zeichen, auf denen am Vortag ihre Hand gelegen hatte und die etwas in ihrem Kopf hatten entstehen lassen. Die Erinnerung an längst vergangene Tage in Konduun.
»Was steht dort?«, fragte sie voller Staunen. »Kannst du es lesen?«
Eneas stützte sich müde gegen die Wand. Sein Gesicht war noch bleicher geworden und in seinen Augen stand ein schwaches Schimmern, das die Schwärze darin noch deutlicher zu Tage treten ließ.
»Das, Mela, ist der Zugang zu den kresh kallaan , den Verbotenen Wegen.«
Er verstummte kurz, als müsse er Kraft schöpfen.
»All diese Orte, wo einst die Alten Götter lebten, besitzen solch einen Zugang. Die Schwierigkeit besteht nur darin, ihn zu finden.« Und ihn zu nutzen, fügte er in Gedanken hinzu.
»Aber du hast es geschafft!«, flüsterte Mela ergriffen.
»Ja, ich habe es geschafft.«
Orcard trat näher und musterte die Schriftbilder genauer. »Ich kann sie nicht lesen. Welche Sprache ist das?«
Eneas lächelte schwach. »Es ist die Sprache der Alten Götter. Niemand kennt sie heute mehr, und doch wurde sie einst von vielen gesprochen und verehrt.«
Wehmut und auch Trauer klang aus seinen Worten und Mela starrte ihn an.
»Du sprichst, als hättest du das selber erlebt, doch das ist nicht möglich! Es ist schon Generationen her.«
»Das ist wahr«, entgegnete Eneas. »Aber du vergisst, dass ich ein Werkzeug der Alten Götter bin. Man hat mich vieles gelehrt, was einst Alltäglichkeit war. Und in meiner Vorstellung ist es so wirklich, als wäre ich dabei gewesen.«
Mela fühlte, wie ein Zittern bei diesen Worten durch ihren Körper ging. Sie wusste, dass er mit den Alten Göttern in Verbindung stand, aber dass er sich selber wieder als ihr Werkzeug bezeichnete, erschreckte sie mehr als sie es für möglich gehalten hätte. Ihr wurde schmerzhaft bewusst, wie wenig sie eigentlich über diesen ihr im Grunde noch immer völlig unbekannten Mann wusste.
Doch sie verzichtete jetzt auf weitere Rückfragen, denn seine Schwäche war unübersehbar. Sie fragte sich, ob er überhaupt noch in der Lage sein würde, den Übergang zu den Verbotenen Wegen zu öffnen. Fast konnte sie es sich nicht mehr vorstellen und Sorge um ihn
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