Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
übermannte sie. Sie wollte nicht, dass er starb, wollte dass er lebte und ...
»Es wird Zeit!«, unterbrach Eneas ihre Gedanken und trat dicht an die Wand mit ihren so sonderbaren, aber auch wunderschönen Zeichen.
»Wie kannst du sie öffnen?«, fragte Orcard mit skeptischem Blick, denn die Wand zeigte nicht das geringste Zeichen einer Öffnung. Kein Kratzer, keine Rille, nichts. »Ich meine … da ist nichts!«
Eneas lächelte schwach. »Der ganze Raum, ja ganz Konduun ist angefüllt mit Magie.« Er streifte sein Hemd ab und stand mit nacktem Oberkörper da.
»Und auch wenn man sie nicht sehen kann – sie ist überall und mächtiger als alles, was die Menschen je erschaffen könnten. Man muss nur die Sinne haben, sie zu spüren.«
Mela stockte der Atem. Sein ganzer Körper war von Runen bedeckt, die leicht schimmerten und sich zu bewegen schienen. Mit einer Ausnahme: die Runen auf seiner verletzten Schulter waren blass und wirkten im Vergleich zu den übrigen kalt und tot.
Und jetzt wusste sie auch wieder, woran sie die Zeichen auf der Wand erinnert hatten. Sie waren ähnlich denen, mit denen Eneas in Boram gegen die Wächter gekämpft hatte, und vor allem ähnlich denen auf seinem Oberkörper. Sie schluckte, als ihr die Bedeutung bewusst wurde. Wenn sie noch irgendwelche Zweifel daran gehabt hatte, dass es eine Verbindung zwischen ihm und den Alten Göttern gab – jetzt waren sie entschwunden.
Auch Orcard fiel die Ähnlichkeit der Zeichen mit denen an der Wand auf, und auch wenn er nichts sagte, so sprachen seine Augen doch Bände.
Eneas erhob die Hände und presste sie gegen die Zeichen an der Wand. Sowohl sie als auch die restlichen auf seinem Körper glühten auf, als wären sie entzündet worden. Orcard wich einen Schritt zurück und zog auch Mela mit sich.
»Was passiert mit ihm?«, rief Mela voller Furcht, doch Orcard bedeutete ihr zu schweigen.
»Lass ihn, Mela! Wir können ihm nicht bei dem helfen, was er jetzt tun muss.«
Mela starrte Orcard an, aber sie wusste, dass er Recht hatte. Dennoch, die Angst um Eneas wuchs von Sekunde zu Sekunde.
Indes wurde das Leuchten immer greller, bis Eneas nicht mehr direkt zu erkennen war – die Wand und er hatten eine Einheit gebildet, die aus purem Licht zu bestehen schien. Mela und Orcard drehten sich geblendet um und verbargen ihre Augen in den Händen. Sie glaubte, ein Stöhnen zu hören, das von Eneas kam, aber es konnte auch ihr überreizter Verstand sein, der ihr das nur vorgaukelte. Und dann plötzlich hörte sie die Stimmen in ihrem Kopf:
Gehe hinein wenn du die Macht dafür besitzt … doch sei gewarnt … der Tod lauert auf alle anderen … der Tod lauert auf alle anderen …
***
Seine Zeit war so gut wie abgelaufen, dass wusste er. Seine Schulter spürte er nicht mehr und seine Beine wollten ihn kaum mehr tragen. Dennoch musste er es versuchen, musste den Übergang öffnen, der ihm neue Hoffnung bringen würde.
Die Runen auf seiner Haut hatten sich mit den Zeichen auf der Wand verbunden und der letzte Rest Kraft, der ihm noch verblieben war, floss jetzt in den Übergang. Er fühlte das Ziehen, die vertraute und doch so Furcht einflößende Macht der Alten Götter, die ihm entgegenschlug. Sie prüfte ihn, widersetzte sich ihm und rief ihm gleichzeitig zu.
Er konzentrierte sich auf das, was er von dem alten Mann im Pardraach gelernt hatte: den Übergang zu öffnen. Nie zuvor war er so verletzlich gewesen, jeder hätte ihn jetzt mit einem einfachen Hieb töten können, denn er war völlig entblößt und der Macht der Alten Götter ausgeliefert.
Aber es war auch ein gutes Gefühl, denn für kurze Zeit fühlte er sich wirklich zuhause und eins mit der Welt. Er gab den letzten Widerstand auf und seine Runen verbanden sich völlig mit den Zeichen auf der Wand. Kaum vermochte er zu sagen, ob er noch lebte oder ob er schon ein Teil des Übergangs geworden war. Für immer zwischen Tod und Leben schwebend.
»Du hast sie mitgebracht!«
Ein Vorwurf schwang in den Worten mit.
»Ja, das habe ich.«
»Das ist ein Fehler, ich sagte es dir bereits!«
»Es ist meine Entscheidung. Ich trage Verantwortung für sie.«
»Sie hätten dich nicht kümmern dürfen. Du hast die Aufgabe übernommen, und jetzt gefährdest du sie. Vielleicht bist du doch der Falsche.«
»Ich werde meine Aufgabe erfüllen, so wie ich das einst geschworen habe – doch auf meine Weise! Ich habe den Tod so vieler zu verantworten, aber das endet jetzt. Ich kann nicht auch
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