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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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christlichen und persischen zu organisieren, und Kaiser Julian hat sie zur Staatskirche erhoben. Das war nicht nur ein religiöser, sondern vor allem auch ein nationaler Akt. Wenn ein Jude dem Sol oder Apollon opferte, so war er Grieche geworden. So tritt Ammonios Sakkas († 242), der Lehrer des Plotin und wahrscheinlich des Origenes, »von den Christen zu den Griechen« über und ebenso Porphyrios, der wie der römische Jurist Ulpian [Digesten 50,15.] ein Phöniker aus Tyrus war und ursprünglich Malchus hieß. [Geffcken, Der Ausg. des griech.-röm. Heident. (1920), S. 57.] Juristen und Beamte nehmen in diesem Falle lateinische, Philosophen griechische Namen an. Das genügt heute einer von philologischen Gesichtspunkten beherrschten Geschichts- und Religionsforschung, um sie als Römer und Griechen im Sinne antiker Stadtnationen zu behandeln. Wie viele unter den großen Alexandrinern mögen aber Griechen nur im
magischen
Sinne gewesen sein? Waren Plotin und Diophant vielleicht der Geburt nach Juden oder Chaldäer?
    Aber ebenso fühlten sich die Christen von Anfang an als Nation magischen Stils und sie sind von den übrigen, Griechen (»Heiden«) wie Juden, nicht anders aufgefaßt worden. Diese haben ihren Abfall vom Judentum ganz folgerichtig als Hochverrat und jene das werbende Eindringen in die antiken Städte als Eroberung behandelt. Die Christen aber bezeichneten die Andersgläubigen als ô? ?èíç. Als die Monophysiten und Nestorianer sich von den Orthodoxen trennten, waren mit den neuen Kirchen zugleich neue Nationen entstanden. Die Nestorianer werden seit 1450 durch den Mar-Schamun regiert, der zugleich Fürst und Patriarch des Volkes ist und dem Sultan gegenüber genau die Stellung einnimmt, die einst der jüdische Resch Galuta im Perserreich besaß. Man darf dies aus einem ganz bestimmten Weltgefühl stammende und daher mit Selbstverständlichkeit vorhandene Nationalbewußtsein nicht außer acht lassen, wenn man die späteren Christenverfolgungen verstehen will. Der magische Staat ist mit dem Begriff der Rechtgläubigkeit untrennbar verbunden. Kalifat, Nation und Kirche bilden eine innere Einheit. Adiabene trat
als Staat
zum Judentum über, Osrhoëne schon um 200 vom Griechentum zum Christentum, Armenien im 6. Jahrhundert von der griechischen zur monophysitischen Kirche. Damit war jedesmal zum Ausdruck gebracht, daß der Staat mit der Gemeinschaft der Rechtgläubigen als juristischer Person identisch sei. Wenn im islamischen Staate Christen, im persischen Nestorianer, im byzantinischen Juden leben, so gehören sie als Ungläubige ihm doch nicht an und sind deshalb ihrer eigenen Gerichtsbarkeit überlassen (S. 635ff.). Bedrohen sie durch ihre Zahl oder Mission den Fortbestand der Identität von Staat und rechtgläubiger Kirche, so wird ihre Verfolgung zur nationalen Pflicht. Deshalb sind im persischen Reiche zuerst die Orthodoxen (»Griechen«), später die Nestorianer verfolgt worden. Diokletian, der als Kalif –
dominus et deus
– die heidnische Kultkirche mit dem Imperium verbunden hatte und sich durchaus als Beherrscher dieser Gläubigen fühlte, konnte sich auch der Pflicht nicht entziehen, die zweite Kirche zu unterdrücken. Konstantin wechselte die »wahre« Kirche
und damit zugleich die Nationalität
des Reiches von Byzanz. Von jetzt an geht der Griechenname langsam und ganz unvermerkt auf die christliche Nation über, und zwar auf die, welche der Kaiser als Herrscher der Gläubigen anerkannte und auf den großen Konzilen vertreten ließ. Daher das Ungewisse im geschichtlichen Bilde des byzantinischen Reiches, das um 290 als antikes Imperium organisiert und trotzdem von Anfang an ein magischer Nationalstaat gewesen war, der unmittelbar danach (seit 312) die Nation wechselte, ohne den Namen zu verändern. Unter dem Namen Griechen hat zuerst das Heidentum als Nation die Christen, dann das Christentum als Nation den Islam bekämpft. In der Verteidigung gegen diesen, die »arabische« Nation, hat sich die Nationalität immer schärfer ausgeprägt und so sind die heutigen Griechen ein Gebilde der magischen Kultur, das zuerst durch die christliche Kirche, dann die heilige Sprache dieser Kirche, endlich durch den Namen dieser Kirche entwickelt worden ist. Der Islam hatte aus der Heimat Mohammeds den Arabernamen als Bezeichnung seiner nationalen Einheit mitgebracht. Es ist ein Irrtum, diese »Araber« mit den Beduinenstämmen der Wüste gleichzusetzen. Diese neue Nation mit ihrer leidenschaftlichen und

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