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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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jetzt war es Andrej, der schwieg. Ein kalter Schauer
rann ihm über den Rücken, denn ihre Worte waren fast gleich mit denen, die Anka ihm gesagt hatte, nur,
dass sie aus Elenas Mund eine ungleich stärkere Wirkung auf ihn hatten. Vielleicht, weil er wusste, dass
sie die Wahrheit sprach. Es war erst wenige Stunden her, da hätte er um ein Haar den einzigen Menschen
getötet, der ihm auf der Welt noch geblieben war.
Elena schien sein Schweigen richtig zu deuten. Sie nickte.
»Siehst du? Vielleicht verlange ich zuviel vom Schicksal.
Vielleicht ist es unmöglich, darauf zu hoffen, dass es auch nur einen Menschen auf der Welt gibt, der
dieser Versuchung auf Dauer widerstehen könnte. Aber bisher hast du es getan.
Vielleicht bist du ja tatsächlich der eine Auserwählte, auf den wir alle warten.«
»Und wenn ich es wäre?«
»Dann wären all die Jahre des Hoffens und Wartens vielleicht nicht umsonst gewesen.« Elena lachte leise
und sehr bitter. »Glaubst du an Gott, Andreas?«
Sein erster Impuls war, heftig den Kopf zu schütteln, »Nein« zu sagen, aber er tat weder das eine noch das
andere, sondern sah sie nur weiter fragend an. Und nach einer Weile fuhr sie fort: »Nun, was mich angeht,
ich bin nicht sicher. Ich habe oft geglaubt, ich hätte schon so viel gesehen und zu viel erlebt, um noch an
ein höheres Wesen glauben zu können, oder gar an den Sinn, der hinter all dem steckt. Aber vielleicht gibt
es ihn doch, und wir können ihn nur nicht erkennen.
Wenn, dann muss er einen Grund gehabt haben, etwas wie uns zu erschaffen. Manche von uns glauben,
wir wären nur eine Laune der Natur. Eine ganz besondere Art von Missgeburt. Krüppel, die von einer
Krankheit gezeichnet sind, die man nicht sieht. Aber vielleicht ist unsere Zeit einfach noch nicht
gekommen. Vielleicht bedarf es nur dieses Einen, um unser Volk endlich zu dem zu machen, was es
werden soll.«
»Du hast mich gerade gefragt, ob ich an die Existenz eines Gottes glaube«, sagte Andrej. »Ich weiß die
Antwort darauf so wenig wie du, Elena, aber eins weiß ich gewiss: Dass ich kein Messias bin.«
»Woher willst du das wissen? Irgendeiner muss der Erste sein.«
»Der Erste was?«, fragte Andrej noch einmal, und jetzt hörbar lauter.
Es verging eine geraume Weile, bis Elena antwortete. »Ich trage dein Kind in mir, Andreas«, sagte sie
ganz leise.
Ein Schlag ins Gesicht hätte ihn kaum härter treffen können. Ungläubig starrte er sie an und suchte nach
Worten.
Schließlich stammelte er: »Das … das ist… nicht möglich.«
Elena lachte. Nur ganz kurz, aber dieses Lachen klang echt und ehrlich amüsiert. »Wahrscheinlich sind
diese Worte schon öfter gesprochen worden, als es Blätter an den Bäumen gibt, Andreas.« Sie wurde
schlagartig wieder Ernst. »Es ist so. Glaub mir.«
»Du musst dich täuschen«, sagte Andrej. Er rang sichtlich um Fassung. »Ich bin nicht … ich meine … ich
kann keine Kinder zeugen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich hab mich nie besonders vorgesehen«, erwiderte Andrej. »Ich meine … ich hatte viele Frauen, und wir
waren nie -«
»Warst du jemals mit einer Frau deiner Art zusammen?«
Andrej antwortete nicht. Wie auch?
»Ich trage dein Kind in mir, Andreas«, sagte Elena noch einmal. »Ich habe es an unserem ersten Abend
empfangen.
Als wir uns das erste Mal geliebt haben.«
Andrej starrte sie an, dann das aufgeschlagene Bett. Er konnte nicht mehr denken. Hinter seiner Stirn
herrschte nur Chaos, die Gedanken bewegten sich wie durch einen zähen Sumpf, und er spürte, wie seine
Hände zu zittern begannen.
»Dann … dann war ich für dich nur …«
»Hast du mir nicht zugehört, Andreas?«, fiel ihm Elena ins Wort. »Oder ist dein Gedächtnis so schlecht?
Du warst so ungestüm, dass ich nach wenigen Minuten wieder hätte gehen können, aber ich bin geblieben.
Und ich bin am Tag darauf zurückgekommen.«
»Ich weiß«, murmelte Andrej. »Verzeih.
Ich wollte dich nicht kränken. Aber es ist …« Wieder brach er ab. Wieder fehlten ihm die Worte. Elena
kam wieder näher, ergriff seine Hand und legte sie auf ihren Bauch.
»Du kannst es noch nicht fühlen, aber ich weiß, dass es da ist, Andreas. Dein Kind. Unser Kind. Es wird
ein Junge werden, und wenn es dort oben im Himmel wirklich einen Gott gibt, dann muss er mich einfach
erhören, so oft, wie ich ihn angefleht habe, unserem Volk eine Zukunft zu geben.
Vielleicht wird unser Sohn der erste einer neuen Art, und vielleicht wird er nicht sein ganzes Leben lang
gegen die Dämonen

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