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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aus seiner Seele kämpfen müssen, wie du.«
Andrej ließ die Hand einen Moment auf Elenas flachem Bauch liegen, dann zog er sie fast erschrocken
fort und wäre um ein Haar auch vor ihr zurückgewichen. »Aber … aber das kannst du doch gar nicht
wissen«, stammelte er. »Ich meine:
Selbst, selbst wenn du weißt, dass du guter Hoffnung bist, woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es«, antwortete Elena in einem Tonfall, der keinen Zweifel zuließ. »Bleib’ bei uns, Andreas. Bei
mir. Wenn nicht um meinetwillen, dann wegen deines Sohnes.«
»Das wird deinem Mann nicht gefallen«, sagte Andrej leise.
Elenas Blick verdüsterte sich. »Laurus hat mich seit fünf Jahren nicht mehr berührt«, sagte sie.
»Und warum?«
Die Dunkelheit in Elenas Blick schien zuzunehmen. Ein gequälter Ausdruck machte sich auf ihrem
Gesicht breit.
Lange Zeit schwieg sie, und Andrej konnte sehen, wie sie mit sich rang. Dann trat sie einen Schritt zurück,
straffte die Schultern und machte eine Kopfbewegung zur Tür. »Komm mit!«

ZEHNTES KAPITEL
    Der Wald war ebenso still und von der gleichen, stickigen Hitze erfüllt wie gestern, als sie nach Bason und
seinem Bruder gesucht hatten. Und er war von der gleichen, bösen Präsenz erfüllt wie vor zwei Tagen, als
sie Bruder Flock gefunden hatten. Und doch war etwas anders: Diesmal spürte Andrej nicht diesen
kompromisslosen Drang, grundlos zu vernichten und zu zerstören, sondern etwas Lauerndes - aber die
Dämonen waren da, auch wenn er sie nicht sehen konnte.
»Was wollen wir hier?«, fragte er. Der Klang seiner Stimme verriet mehr von seiner Nervosität als ihm lieb
war, und er ertappte sich zum wiederholten Mal dabei, wie seine rechte Hand nach seinem Gürtel tastete.
Er hatte sein Schwert nicht mitgenommen, als Elena ihn aufgefordert hatte, ihr zu folgen, und er bedauerte
dieses Versäumnis. Auch, wenn er ziemlich sicher war, dass das, was sie hier antreffen mochten, mit
herkömmlichen Waffen nicht zu besiegen war.
»Wir sind gleich da«, sagte Elena. Sie ging dicht vor ihm her, und auch, wenn er sie jetzt im hellen
Tageslicht sah und nicht im farblosen Grau der Nacht, wie damals bei Handmanns Mühle, so schien sie
dennoch mit jedem Schritt mehr mit den Schatten zu verschwimmen und eins mit den Formen der Natur
zu werden, sodass es ihm immer schwerer fiel, sie im Auge zu behalten.
»Ich finde es nicht klug, das Lager zu verlassen«, sagte er, während er unablässig nach rechts und links
blickte. Das Gefühl, beobachtet zu werden, ohne seinerseits irgend etwas Verdächtiges zu sehen, trieb ihn
fast in den Wahnsinn. »Wir haben versprochen, im Lager zu bleiben. Wenn man uns hier sieht, ist das
vielleicht genau der Vorwand, auf den Schulz und die anderen warten.«
»Es sind nur ein paar Schritte«, sagte Elena. »Außerdem hat uns niemand gesehen.«
»Und wenn doch, dann wirst du dafür sorgen, dass er es vergisst, nicht wahr?«, fragte er. Elena antwortete
nicht darauf, aber sie warf ihm einen leicht verletzten Blick über die Schulter zu, und Andrej entschuldigte
sich in Gedanken bei ihr. Natürlich hatte sie niemand gesehen. Das kleine Waldstück lag auf der
Rückseite des Lagers, und selbst wenn, so konnten sie immer noch behaupten, Feuerholz oder ein paar
Kräuter gesucht zu haben. Er war einfach übernervös, das war alles.
Plötzlich blieb Elena stehen, und Andrejs ungutes Gefühl erhielt neue Nahrung, als er erkannte, dass sie
sich genau dort befanden, wo Flock von den vier Bestien überfallen worden war. Elena wandte sich zu
ihm um und sah ihn auf seltsame Weise an, und gerade, als Andrej eine Frage stellen wollte, hörte er
hinter sich das Knacken eines Astes und leichte Schritte.
Als er herumfuhr, waren sie schon da. Das Mädchen und ihr älterer Bruder standen kaum auf Armeslänge
von ihm entfernt und starrten ihn aus ihren bösen, seelenlosen Augen an, während die beiden jüngeren
Knaben nach rechts und links auseinander gestrebt waren. Alle vier hielten kleine, scharfe Messer in der
Hand, kaum mehr als Spielzeuge, die in den Händen solcher Kreaturen aber zu tödlichen Waffen werden
konnten.
»Hab keine Angst«, sagte Elena rasch. »Sie werden dir nichts tun.«
Dem Ausdruck in den Augen des älteren Jungen nach zu schließen, ist das keineswegs die Wahrheit,
dachte Andrej.
Und auch das Mädchen starrte ihn nur kalt an. Ihr Blick war undeutbar, aber alles andere als freundlich.
»Ihr habt mich gehört«, sagte Elena jetzt mit lauter Stimme, in der eine Spur von Autorität

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