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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vielleicht noch viel mehr.
»Und was soll ich jetzt tun?«, fragte er.
Als Elena den Kopf hob und ihn ansah, liefen Tränen über ihr Gesicht. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich
weiß ja noch nicht einmal, was ich tun soll.«
Und damit drehte sie sich herum und ging, um ihn allein zurück zu lassen. Allein mit sich und einem
Schmerz, der vielleicht schlimmer war als alles, was er je zuvor erlebt hatte, aber auch einer Hoffnung, die
mindestens so mächtig war wie dieser Schmerz.
Er hätte nicht sagen können, wie lange er im Halbdunkel seines Wagens dagesessen und ins Leere gestarrt
hatte. Was in dieser Zeit hinter seiner Stirn vorgegangen war, woran er gedacht, was er sich gewünscht
und was er verflucht hatte. Irgendwann neigte sich der Tag seinem Ende entgegen, und im gleichen Maße,
in dem die Hitze nachließ, die mit immer größerem Erfolg die dünnen hölzernen Wände seines Wagens
überrannte und um Einlass kämpfte, und das Licht nicht mehr so gleißend war, dass es seine
empfindlichen Augen fast blind machte, erwachte das Zigeunerlager ringsum mehr und mehr zum Leben.
Die ersten Feuer wurden entzündet, die ersten, noch zaghaften Takte von Musik wurden laut, und
schließlich hörte er das erste Lachen und Lamentieren, das von der Ankunft neuer Gäste kündete, die sich
offensichtlich weder von den Gerüchten über Hexerei und Flüche, noch von den Geschichten über Tote
abschrecken ließen, die man in den Wäldern ringsum gefunden hatte. Es war nach Sonnenuntergang, als
Andrej das Gefühl hatte, aus einem tiefen, aber alles andere als traumlosen Schlaf zu erwachen, und
tatsächlich eine oder zwei Atemzüge brauchte, um sich überhaupt darüber im Klaren zu werden, wo er
war, und warum er dort war, wo er war. Er erinnerte sich nicht einmal wirklich, dass er in seinen Wagen
zurückgegangen war und sich mit untergeschlagenen Beinen auf das Bett gesetzt hatte.
Irgendwann zwischen dem Moment, in dem Elena sich herumgedreht und davongegangen war und jetzt,
war ihm die Zeit abhanden gekommen. Er hatte das Gefühl, aus einem endlosen, von grässlichen Träumen
geplagten Schlaf zu erwachen, und ganz wie in den Tagen zuvor, fühlte er sich auch jetzt körperlich müde
und erschöpft, als hätte er eine Schlacht geschlagen. Fast ohne sein Zutun fuhr seine rechte Hand über die
zurückgeschlagene Decke, auf der er saß. Sie war warm, aber es war nur die Sonnenwärme, die sie
gespeichert hatte, nicht die von Elenas Körper. Selbst jetzt, nach allem, was er erfahren hatte, konnte er
fast an nichts anderes denken.
Einen Moment lang fragte er sich ganz ruhig, ob er von dieser Frau besessen war. Er kam zu keiner
Antwort, und selbst wenn - sie hätte ihm nichts genutzt. Er war Elena verfallen, und es spielte keine Rolle,
warum und auf welche Art.
Andrej stand auf, ging zum Fenster, und sah hinaus. Er konnte nur einen kleinen Teil des Lagers
überblicken, und es war im Grunde nicht mehr als flackernde rote Lichtsplitter und die Schatten von
Menschen, vielleicht auch anderen, düstereren Dingen, die sich hektisch hin und her bewegten und dabei
dem Rhythmus einer anderen, unhörbaren und atonalen Musik zu folgen schienen, und wie um sich selbst
zu verhöhnen, ertappte er sich dabei, in diesen Schatten nach dem Elenas zu suchen, in dem
Durcheinander von Stimmen auf ihr helles Lachen zu lauschen.
Etwas wie eine dumpfe Verzweiflung begann sich in ihm breit zu machen. Andrej hatte keine große
Erfahrung darin, verliebt zu sein. Vielleicht gar keine. Aber wenn das, was er nun spürte, wirklich Liebe
war, dann erlaubte sich das Schicksal, Gott, oder wie immer man es nennen mochte, einen wirklich bösen
Scherz mit ihm. Er war hierher gekommen, um etwas zu suchen, von dem er gar nicht genau wusste, was
es war, und er hatte etwas gefunden, von dem er noch viel weniger wusste, ob er es haben wollte. Und von
dem er trotzdem nicht mehr loskam.
Lange Zeit stand er einfach da, starrte in die Nacht und auf den roten Widerschein der Feuer hinaus, dann
ging er langsam zu seinem Bett zurück, nahm das Schwert, das er daneben an die Wand gelehnt hatte, und
band sich den mit Silber beschlagenen Waffengurt mit bewusst langsamen, überpräzisen Bewegungen um,
Bewegungen die keinen anderen Sinn hatten als den, Zeit zu gewinnen und den Moment, in dem er den
Wagen verlassen musste, noch um eine kurze, aber unendlich wertvolle Zeitspanne hinauszuzögern.
Schließlich aber verließ er den Wagen, wandte sich nach links und erreichte nach wenigen

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