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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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da passiert sein?«
»Das würde mich auch interessieren«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Andrej fuhr erschrocken herum und fand sich Aug’ in Aug’ mit Laurus. Das Oberhaupt der Sinti-Familie
hatte das Zelt betreten ohne dass er es mitbekommen hatte, und Andrej fragte sich erschrocken, wie lange
er wohl schon dagestanden und ihnen zugehört hatte. Und dann wurde ihm klar, dass Laurus’ Frage viel
weniger Flock als ihm gegolten hatte.
»Nichts ist passiert«, sagte Andrej. »Elena und ich sind wieder zurückgeritten, das ist alles.«
Laurus maß ihn mit einem durchdringenden, auf unangenehme Weise wissenden Blick, dem stand zu
halten Andrej ausgesprochen schwer fiel. Wenngleich er in gewissem Sinne die Wahrheit gesagt hatte zumindest, was den Müller anging… »Ihr habt Andreas gehört, Vater«, sagte Laurus kühl. Er maß den
jungen Geistlichen mit einem langen, doch mitleidlosen Blick, der vor allem seinen diversen Verbänden zu
gelten schien. Flock war nackt bis auf einen Lendenschurz und eine dünne Halskette mit einem silbernen
Kreuz, zugleich aber mit so vielen Bandagen umwickelt, dass er fast schon wieder angezogen wirkte.
»Ihr wisst es nicht?«, fragte Flock.
»Dann würde ich nicht fragen«, antwortete Laurus. Sein Gesicht umwölkte sich. »Vater, wenn Ihr etwas
zu sagen habt, dann sagt es. Wenn nicht, dann verzeiht, aber wir haben noch viel zu tun. Ich habe einen
Wagen vorbereiten lassen, der Euch in die Stadt bringt. Dort kann man Euch besser versorgen als hier.«
Selbst für einen Mann wie Laurus waren das Worte von ausgesuchter Unhöflichkeit. Und sie waren zudem
nicht besonders klug. Flock war zwar kein Kardinal, vielleicht nicht einmal ein richtiger Priester, und er
war jung genug, um Laurus’ Enkel sein zu können - aber sie lebten in einer Zeit und in einem Land, in dem
das Gewand eines Mannes oft mehr zählte als der Mann selbst. Andrej konnte nicht verstehen, warum
Laurus den Geistlichen so brüskierte.
»Handmann war heute Morgen bei mir, noch vor Sonnenaufgang«, begann Flock. »Ihm ist ein großes
Unglück widerfahren. Fast seine gesamten Mehlvorräte und alles Korn wurden vernichtet.«
»Was ist passiert?«, fragte Laurus. »Ein Brand?«
»Ratten«, antwortete Flock. »Ratten sind über seine Mühle hergefallen.«
Andrej starrte ihn überrascht und erschrocken zugleich an, und er erschrak ein weiteres Mal, als er sah,
dass Flock bei diesen Worten nicht Laurus sondern ihn angesehen hatte.
Ratten?
»Das ist bedauerlich«, sagte Laurus. »Aber nach allem, was mir mein Weib über diesen Müller erzählt hat,
war er wohl ein ziemlich unbeherrschter Mann und nicht sehr klug. Vielleicht war er zudem auch nicht
sehr reinlich. Wenn man sein Haus nicht in Ordnung hält, dann kommen die Ratten gern.«
»So etwas ist aber noch nie passiert«, sagte Flock.
»Irgendwann ist immer das erste Mal«, erwiderte Laurus kühl.
»Worauf wollt Ihr hinaus? Dass wir diesen Dummkopf von Müller verhext haben? Sagt es ruhig.«
Andrej sog scharf die Luft ein Hatte Laurus den Verstand verloren?
»Nun, ich war dabei«, sagte Flock. »Gestern Nacht, als Andreas dem Handmann mehr Geld geboten hat,
damit er ihm Mehl verkauft. Der Müller hat gesagt, eher würde er seine Vorräte an die Ratten verfüttern,
bevor er Euch auch nur einen Scheffel davon überlässt.«
»Nun, dann ist sein Wunsch ja wohl in Erfüllung gegangen«, meinte Laurus. »Manchmal sollte man seine
Wünsche eben mit Bedacht äußern.«
»Aber ich bitte Euch, Bruder Flock«, mischte sich Andrej hastig ein und eigentlich nur, um zu verhindern,
dass Laurus sich um Kopf und Kragen redete »Ihr seid doch ein vernünftiger Mann.
Ihr wart dabei, genau wie ich. Ihr könnt doch nicht allen Ernstes an diesen Unsinn von Hexen und Flüchen
glauben, den Handmann von sich gegeben hat.«
»Natürlich nicht«, sagte Flock. »Ich denke nicht so wie dieser Müller und die vielen anderen. Wäre es so,
dann wäre ich nicht hier.«
»Und warum seid Ihr dann hier?«, fragte Laurus.
»Weil etwas vorgeht«, antwortete Flock. »Weil etwas schlimmes passiert ist, und weil ich nicht will, dass
noch schlimmeres passiert, weder den Menschen in der Stadt noch Euch.«
»Wir können ganz gut auf uns selbst aufpassen«, sagte Laurus eisig. »Und für das Wohl Eurer Schäfchen
seid ja wohl Ihr verantwortlich.« Er wies auf Andrej. »Andreas wird Euch zurück in die Stadt bringen.
Doch zuerst muss ich mit ihm sprechen. Ihr entschuldigt uns.«
Er fuhr auf dem Absatz herum und bedeutete

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