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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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heraus, an der keine Zünder befestigt waren. Er drehte ein Stückchen von der Masse ab und nahm es in den Mund.
    »Hab’ mir nie was aus Marzipan gemacht«, sagte er, »zu süß für meinen Geschmack.«
    Zack starrte auf das Sortiment in dem Kistchen, das er in seiner freien Hand hielt.
    »Marzipan?«
    »Das beste Marzipan, das die Marylebone High Street zu bieten hat.«
    »Ich sollte dich abknallen, Quinn!«
    »Das könntest du, aber ich hoffe, du tust es nicht. Nicht nötig, Zack. Du hast bekommen, was du wolltest. Wie ich gesagt hab’, Profis töten nur, wenn sie müssen. Untersucht die Diamanten in aller Ruhe, verduftet und laßt den Jungen und mich hier warten, bis ihr die Polizei anruft.«
    Zack schloß die Tür hinter sich und schob die Riegel vor. Er sprach durch das Guckloch.
    »Das muß man dir lassen, Yank, Mumm hast du.«
    Dann schloß sich das Guckloch. Quinn trat zu der Gestalt auf dem Bett und zog ihr die Kapuze ab. Dann setzte er sich neben den Jungen.
    »So, jetzt will ich dich mal ein bißchen über die neueste Entwicklung aufklären. Noch ein paar Stunden, wenn alles gutgeht, und wir kommen vermutlich hier raus und sind auf dem Weg nach Hause. Übrigens, deine Eltern lassen dich herzlichst grüßen.«
    Er fuhr dem jungen Mann durch das zerzauste Haar. Simon Cormacks Augen füllten sich mit Tränen, und er begann hemmungslos zu weinen. Er versuchte, sein Gesicht mit einem Ärmel des karierten Hemds abzuwischen, aber es nützte nichts. Quinn legte ihm einen Arm um die mageren Schultern und erinnerte sich an einen lange zurückliegenden Tag in den Dschungeln am Mekong: an das erste Mal, als er im Kampf gestanden und überlebt hatte, während andere starben, und wie ihm danach die schiere Erleichterung die Tränen heraustrieb, die er nicht zurückzuhalten vermochte.
    Als Simon zu weinen aufhörte und ihn mit Fragen zu bombardieren begann, konnte sich Quinn den jungen Mann richtig ansehen. Ein Bart war ihm gewachsen, er war schmutzig, aber im übrigen in guter Verfassung. Sie hatten ihm zu essen gegeben und anständiger-weise auch frische Sachen, Hemd, Bluejeans samt einem breiten Ledergürtel mit einem bossierten Schloß – alles aus einem Campingbedarfsladen, aber ausreichend gegen die Oktoberkühle.
    Oben schien es irgendeine Auseinandersetzung zu geben. Quinn hörte erregte Stimmen, vor allem die von Zack. Er konnte zwar die Worte nicht verstehen, aber der Ton war deutlich genug. Zack war zornig. Quinns Stirn furchte sich nachdenklich; er hatte die Steine nicht selbst untersucht – konnte auch echte Diamanten von guten Fälschungen nicht unterscheiden –, betete jetzt aber darum, daß niemand so unbesonnen gewesen war, die Steine mit Similis zu mischen.
    Dies war allerdings nicht der Anlaß der Auseinandersetzung. Nach einigen Minuten ebbte sie ab. In einem der Schlafzimmer im Obergeschoß – die Kidnapper mieden in der Regel bei Tageslicht die Räume im Erdgeschoß, trotz der dichten Netzvorhänge, die sie abschirmten saß der Südafrikaner an einem Tisch, der für diesen Zweck nach oben gebracht worden war. Der Tisch war mit einem Bettlaken bedeckt, das aufgeschlitzte Samtpäckchen lag leer auf dem Bett, und alle vier Männer blickten unverwandt auf einen kleinen Berg ungeschliffener Diamanten.
    Mit Hilfe eines kleinen Spachtels begann der Südafrikaner, den Haufen in kleinere und noch kleinere Häufchen aufzuteilen, bis er den Berg in fünfundzwanzig Hügelchen verwandelt hatte. Er bedeutete Zack, ein Häufchen auszuwählen. Zack zuckte die Achseln und entschied sich für eines in der Mitte – annähernd 1000 von den 25   000   Steinen auf dem Tisch.
    Wortlos begann der Südafrikaner die anderen vierundzwanzig Häufchen nacheinander in ein kräftiges Leinensäckchen zu schieben, an dem oben eine Zugschnur befestigt war. Das von Zack ausgewählte Häufchen blieb als einziges auf dem Laken zurück. Dann schaltete der Südafrikaner eine starke Leselampe über dem Tisch an, zog eine Juwelierslupe aus der Tasche, nahm eine Pinzette in die rechte Hand und hielt den ersten Stein gegen das Licht.
    Nach einer Weile knurrte und nickte er und ließ den Diamanten in das offene Säckchen fallen. Es würde sechs Stunden dauern, sämtliche i000   Steine zu untersuchen.
    Die Kidnapper hatten klug gehandelt. Diamanten von Spitzenqualität, sogar kleine, werden in der Regel von der Zentralen Verkaufsorganisation, die den Diamantenhandel der Welt beherrscht und durch deren Hände über fünfundachtzig

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