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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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und nach alter Gewohnheit mit dem Barkeeper und den Stammgästen ein paar derbe Scherze auszutauschen.
    Die meisten dieser Kneipen hatten Namen wie Las Vegas, Hollywood, California, da ihre allzeit optimistischen Besitzer hofften, Namen von so exotischem Reiz würden bei den Seeleuten auf Landgang die Vorstellung wecken, hinter den Türen, von denen die Farbe abblätterte, erwarte sie ein entsprechender Glamour. Im großen und ganzen waren es schäbige Kaschemmen, aber warm, und der Gast bekam dort anständiges Bier.
    Quinn hatte zu Sam gesagt, sie müsse warten, entweder im Hotel oder in dem um zwei Ecken, an der Falcon Rui, geparkten Wagen. Sie entschied sich für den Wagen, was nicht verhinderte, daß sie durch die Fenster eine Menge eindeutiger Anträge erhielt.
    Quinn saß da, trank langsam sein Bier und beobachtete den anschwellenden Strom von Einheimischen und Ausländern, den es in diese Straßen mit ihren Kneipen spülte und wieder hinaustrug. An seiner linken Hand trug er, sorgfältig mit schwarzer Tusche aus dem Zeichenbedarfsgeschäft ausgeführt und mit leicht verschmierten Konturen, damit es älter aussah, das Motiv des schwarzen Spinnennetzes mit der hellroten Spinne in der Mitte. Die ganze Nacht hindurch musterte er andere linke Hände, sah aber nichts dergleichen.
    Er wanderte die Guit Straat und die Pauli Plein hinauf, trank in jeder Kneipe ein kleines Bier, ging dann wieder in die Schipper Straat und begann seine Runde von neuem. Die Mädchen dachten, er wolle eine Frau haben, könne sich aber nicht entschließen. Die männlichen Kunden übersahen ihn, da sie selbst auf der Suche umherzogen. Mehrere Barkeeper nickten und grinsten, als er zum drittenmal hereinkam. »Wieder da. Kein Glück gehabt?«
    Sie hatten recht, aber anders, als sie meinten. Er hatte kein Glück und kam vor Tagesanbruch zu Sam zurück, die im Wagen auf ihn wartete. Sie war eingenickt, der Motor lief, das Gebläse hielt das Innere warm.
    »Was jetzt?« fragte sie, als sie ihn zum Hotel zurückfuhr.
    »Essen, schlafen, essen, heute abend wieder von vorne«, sagte er.
    Sie war den ganzen Morgen über im Bett besonders leidenschaftlich, weil sie dachte, einige der Mädchen in der Schipper Straat mit ihrer Aufmachung könnten es ihm angetan haben. Es war nicht so, aber er sah keinen Grund, sie darüber aufzuklären.
    Lionel Cobb suchte am selben Tag aus eigenem Antrieb Cyrus V . Miller in dessen Räumen ganz oben im Pan-Global-Turm in Houston auf.
    »Ich will aussteigen«, sagte er in entschiedenem Ton. »Die Kerle sind zu weit gegangen. Was sie mit dem Jungen gemacht haben, war schrecklich. Cyrus, Sie haben gesagt, dazu wird es nie kommen. Sie haben gesagt, die Entführung allein wird genügen … eine Wende herbeizuführen. Wir hätten niemals gedacht, daß der Junge sterben wird … aber was ihm diese Bestien angetan haben … das war entsetzlich … unmoralisch …«
    Miller erhob sich hinter seinem Schreibtisch, und seine Augen blitzten den Jüngeren an.
    »Halten Sie mir keine Vorträge über Moral, junger Mann! Lassen Sie sich das gesagt sein. Ich wollte auch nicht, daß das passiert, aber wir haben alle gewußt, daß es vielleicht passieren muß. Auch Sie, Lionel Cobb, werden das zugeben müssen, wenn Sie vor Ihrem höchsten Richter stehen, auch Sie. Und es mußte sein. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich gebetet, daß Er mich erleuchten möge; im Gegensatz zu Ihnen habe ich Nächte auf den Knien verbracht und für diesen jungen Menschen gebetet.
    Und der Herr hat mir geantwortet, mein Freund. Der Herr hat zu mir gesprochen: Es ist besser, daß ein junges Lamm zur Schlachtbank geht, als daß die ganze Herde verderbe. Hier geht es nicht um einen einzelnen Menschen, Cobb, hier stehen die Sicherheit, der Fortbestand, ja, das Leben der gesamten amerikanischen Nation auf dem Spiel. Und der Herr hat zu mir gesagt: Was sein muß, muß sein. Dieser Kommunist in Washington muß zu Fall gebracht werden, bevor er den Tempel des Herrn zerstört, nämlich unser ganzes Land. Fahren Sie zurück in Ihre Fabrik, Lionel Cobb, und verwandeln Sie die Pflugscharen in die Schwerter, die wir brauchen, um unser Land zu verteidigen und die Feinde Christi in Moskau zu vernichten. Und schweigen Sie, mein Herr. Sprechen Sie mir nie mehr von Moral, denn dies ist das Werk des Herrn, und er hat zu mir gesprochen.«
    Lionel Cobb fuhr zurück in seine Fabrik, tief erschüttert.
    Michail Sergejewitsch Gorbatschow hatte an diesem Tag ebenfalls eine ernste

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