Der Unterhändler
Beweis dafür. Wenn er sich täuschte, würden seine Kollegen im Senat ihn als einen dieser Provinzler einstufen, deren große Worte nicht ernstzunehmen sind. Aber er wußte, er mußte fortfahren, weil er sonst die Unterstützung seines neuen und sehr ansehnlichen Geldgebers verlieren würde.
»Aber vielleicht müssen wir gar nicht so lange suchen, um festzustellen, wer die Schuldigen an dieser teuflischen Tat waren.«
Das leise Summen in der Halle verstummte. Männer in den Gängen zwischen den Sitzreihen blieben auf dem Weg nach draußen stehen und drehten sich um.
»Ich möchte folgende Frage stellen: Trifft es nicht zu, daß die Bombe, die diesem jungen Mann, den einzigen Sohn unseres Präsidenten, tötete, in der Sowjetunion konstruiert und gebaut wurde, und zwar nachweislich? Ist dieser Sprengsatz nicht aus Rußland gekommen?«
Seine angeborene demagogische Begabung hätte ihn vielleicht noch weiter fortgerissen, doch die Sitzung löste sich in einem wilden Tumult auf. Die Medien trugen seine Frage innerhalb von zehn Minuten ins Land. Zwei Stunden lang taktierte die Regierung ausweichend, dann mußte sie mit der Wahrheit über das Resümee von Dr. Barnards Bericht herausrücken.
Schon am Abend dieses Tages fand der Zorn gegen den unbekannten Schuldigen, der am Vortag wie ein unterschwelliges Grollen die Leute von Nantucket erfaßt hatte, ein Ventil und Ziel. Menschenansammlungen, die sich spontan gebildet hatten, stürmten in der New Yorker Fifth Avenue Nr. 630 die Niederlassung der sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot und schlugen alles kurz und klein. Der Polizei war es nicht mehr gelungen, das Gebäude durch einen Kordon zu schützen. In panischer Angst rannten Angestellte schutzsuchend die Treppe hinauf, wurden aber von den Bürokräften in den oberen Etagen brüsk abgewiesen. Zusammen mit den anderen in dem Gebäude entkamen sie dank der Feuerwehr, als die Aeroflot-Räume in Brand gesteckt wurden und das ganze Gebäude evakuiert werden mußte.
Gerade noch rechtzeitig kam die Polizei zur Sowjetmission bei den Vereinten Nationen, East 67th Street Nr. 136. Eine immer größer werdende Menschenmenge versuchte sich den Zugang in die von Polizisten abgeriegelte Straße zu erzwingen; zum Glück für die Russen hielten die Blauuniformierten dem Ansturm stand.
Ganz ähnlich ging es in Washington zu. Die Polizei der Hauptstadt war vorher gewarnt worden und konnte gerade noch zur rechten Zeit die Sowjetbotschaft und das Konsulat der Ud SSR am Phelps Place sichern. Telefonanrufe des aufgeregten sowjetischen Botschafters beim Außenministerium wurden mit der Versicherung beantwortet, der Bericht aus England werde derzeit noch geprüft und könnte sich eventuell als irrig herausstellen.
»Wir möchten diesen Bericht sehen«, forderte Botschafter Jermakow. »Es ist eine Lüge. Ich behaupte kategorisch, daß es eine Lüge ist.«
Die Nachrichtenagenturen TASS und Nowosti sowie sämtliche Sowjetbotschaften in der Welt wiesen am späten Abend den Barnard-Bericht mit seinen Ergebnissen rundweg zurück und bezichtigten London und Washington einer bösartigen und geplanten Verleumdungskampagne.
»Verdammt noch mal, wie ist es denn rausgekommen?« wollte Michael Odell wissen. »Wie zum Teufel ist dieser Hapgood da rangekommen?«
Darauf gab es keine Antwort. Keine Großorganisation, von einem Regierungsapparat ganz zu schweigen, kommt ohne ein Heer von Sekretärinnen, Stenografen, Beamten, Boten aus, und jeder von ihnen hat die Möglichkeit, den Inhalt eines vertraulichen Dokuments weiterzugeben.
»Eins steht fest«, sagte Verteidigungsminister Stannard nachdenklich, »nach dieser Geschichte ist der Nantucket-Vertrag gestorben. Wir müssen jetzt unser Ausgabenbudget revidieren, weil es keine Rüstungskürzungen, überhaupt keine Begrenzungen geben wird.«
Quinn hatte damit begonnen, in dem Labyrinth der Gassen, die von der Schipper Straat wegführten, die Kneipen abzuklappern. Er fand sich am Abend um zehn dort ein und blieb, bis die Lokale kurz vor Tagesanbruch schlossen: ein schlaksiger Matrose, der angetrunken wirkte, ein nuschelndes Französisch sprach und in einer Kneipe nach der anderen ein kleines Bier nuckelte. Draußen war es kalt, und die leichtgekleideten Prostituierten fröstelten an ihren Heizöfchen oder Heizlüftern hinter den »Schaufenstern«. Manchmal, wenn sie Schichtwechsel hatten, zogen sie einen Mantel über und huschten den Gehsteig entlang zu einem der Lokale, um ein Glas zu trinken
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