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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Ihnen behilflich sein?«
    »Das hoffe ich doch, Sir, ja, das hoffe ich bestimmt«, sagte Quinn in breitestem Südstaaten-Englisch. Er hatte wieder die Pose des unbedarften Amerikaners angenommen, mit der er das Mädchen im Blackwood’s Hotel getäuscht hatte. »Ich und meine Angetraute hier, wir sind hier in Ihrem Land und wollen Verwandte aus der alten Heimat ausfindig machen. Mein Großvater mütterlicherseits war nämlich aus Belgien, und so hab’ ich Verwandte in dieser Gegend hier, und ich dachte mir, wenn ich vielleicht den einen oder andern finden könnte, das wär’ doch wirklich hübsch, und wenn ich dann meiner Familie drüben in den Staaten davon berichten könnte …«
    Aus dem Fernsehgerät drang Lärm. Van Eyck wirkte sichtlich nervös. Der belgische Tabellenführer Tournai spielte gegen den französischen Meister Saint Etienne, eine Begegnung, bei der es um die nationale Ehre ging und die sich kein wahrer Fußballfan entgehen ließ.
    »Ich habe leider keine amerikanischen Verwandten …«, begann er.
    »Nein, Monsieur, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich habe in Antwerpen erfahren, daß der Neffe meiner Mutter vielleicht in dieser Gegend hier arbeitet. In einem Vergnügungspark. Er heißt Paul Marchais.«
    Van Eyck runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Ich kenne alle meine Leute. Wir haben niemanden mit diesem Namen.«
    »Ein großer, kräftiger Kerl. Den ›großen Paul‹ nennen sie ihn. Über zwei Meter, breit wie ein Schrank, eine Tätowierung auf der linken Hand …«
    »Ja, ja, aber er heißt nicht Marchais. Sie meinen Paul Lefort.«
    »Nun ja, vielleicht meine ich genau den«, sagte Quinn. »Da fällt mir ein, seine Mama, die Schwester meiner Mutter, hat ja noch einmal geheiratet, also hat er sicher einen anderen Namen bekommen. Wissen Sie zufällig, wo er logiert?«
    »Warten Sie bitte.«
    Bertie van Eyck war in zwei Minuten wieder da und gab Quinn einen Zettel. Dann eilte er zu seinem Fußballspiel zurück. Tournai hatte ein Tor erzielt, und er hatte es verpaßt.
    Als sie wieder nach Wavre hineinfuhren, sagte Sam: »Ich habe noch nie eine so entsetzliche Karikatur eines amerikanischen Trottels auf Europabesuch erlebt.«
    Qtiinn feixte.
    »Aber es hat geklappt, nicht?«
    Sie fanden Madame Garniers Pension hinter dem Bahnhof. Es wurde bereits dunkel. Madame Garnier war eine vertrocknete kleine Witwe, die Quinn als erstes erklärte, daß sie keine Zimmer frei habe, aber freundlicher wurde, als er zu ihr sagte, er suche kein Quartier, sondern nur die Möglichkeit, mit seinem alten Freund Paul Lefort zu sprechen. Sein Französisch war so flüssig, daß sie ihn für einen Franzosen hielt.
    »Aber er ist nicht da, Monsieur. Er ist arbeiten gegangen.«
    »Im Walibi-Vergnügungspark?«
    »Aber natürlich. Beim Riesenrad. Er überholt während der Wintermonate die Maschinerie.«
    Quinn machte eine gallische Geste der Verzweiflung.
    »Jedesmal verpasse ich meinen Freund«, klagte er. »Anfang letzten Monats habe ich den Rummelplatz besucht, und er war im Urlaub.«
    »Nein, Monsieur. Seine arme Mutter ist gestorben. Nach langer Krankheit. Er hat sie bis zuletzt gepflegt. In Antwerpen.«
    Das also hatte er den Leuten aufgebunden. Die zweite Septemberhälfte und den ganzen Oktober war er seinem Quartier und seinem Arbeitsplatz ferngeblieben. Klar war er nicht da, dachte Quinn, aber er dankte Madame Garnier mit einem strahlenden Lächeln, und dann fuhren sie die drei Meilen zu dem Vergnügungspark zurück.
    Er lag ebenso verlassen da wie sechs Stunden vorher, doch nun in der Dunkelheit wirkte er wie eine Geisterstadt. Quinn kletterte über die Umzäunung und half dann Sam hinüber. Vor dem schwarzsamtenen Nachthimmel zeichneten sich die Streben des Riesenrads ab, des höchsten Bauwerks auf dem Gelände.
    Sie gingen an dem zerlegten Karussell vorbei, dessen alte Holzpferde sicher irgendwo eingelagert waren, dann an der mit Brettern vernagelten Würstchenbude. über ihnen ragte das Riesenrad in den Himmel.
    »Bleib hier«, murmelte Quinn. Er ließ Sam im Schatten zurück und ging auf das Riesenrad zu.
    »Lefort«, rief er leise. Er bekam keine Antwort.
    Die Doppelsitze in den an ihrem Stahlgestänge hängenden Gondeln trugen Schutzüberzüge. In den unteren Gondeln war niemand. Vielleicht lauerte der Mann irgendwo im Dunkeln und wartete auf sie. Quinn warf einen Blick hinter sich.
    An einer Seite der Konstruktion befand sich das Maschinenhaus, ein großer Schuppen mit dem Motor, und

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