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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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– er hätte eine Kugel ins Gesicht bekommen –, sondern in Richtung auf eine Masse höherer Macchia-Sträucher zehn Yards vor dem Felsbrocken.
    In seiner hinteren Hosentasche hatte er noch einen Rest der Angelschnur, die er in Oldenburg dazu benutzt hatte, den Kassettenrekorder über einen Ast zu werfen. Er befestigte das eine Ende an einem hohen Macchia-Strauch, einen halben Meter über dem Erdboden, und kroch dann dorthin zurück, woher er gekommen war, wobei er die Schnur ausgab. Als er sicher war, weit genug weg zu sein, begann er ganz leicht an der Schnur zu ziehen.
    Der Strauch bewegte sich und raschelte. Er hörte auf und ließ das Geräusch in die lauschenden Ohren einsinken. Er zog wieder und noch einmal. Dann hörte er, wie Orsini zu kriechen begann.
    Drei Meter von dem Strauch entfernt richtete sich der Korse schließlich halb auf. Quinn sah seinen Hinterkopf und zog noch einmal, diesmal aber heftig, an der Schnur. Der Strauch bewegte sich mit einem heftigen Ruck. Orsini hob mit beiden Händen seine Waffe und feuerte nacheinander sieben Kugeln in den Boden um den Strauch herum. Als er den letzten Schuß abgegeben hatte, war Quinn hinter ihm, aufrecht stehend. Der Revolver zielte auf Orsinis Rücken.
    Als am Berghang das Echo der letzten Schüsse verhallte, merkte der Korse, daß er überlistet worden war. Er drehte sich langsam um und sah Quinn.
    »Orsini.«
    Er wollte sagen: Ich will nur mit dir reden. Jeder Mann in Orsinis Lage mußte verrückt sein, daß er es versuchte. Oder verzweifelt. Oder überzeugt, es bedeute seinen Tod, wenn er es nicht tat. Er drehte seinen Oberkörper herum und feuerte die letzte Kugel ab. Es war hoffnungslos. Der Schuß ging in den Himmel, denn eine halbe Sekunde, ehe er abdrückte, hatte Quinn das gleiche getan. Er hatte keine andere Wahl. Die Kugel traf den Korsen mitten in die Brust und warf ihn nach hinten. Mit dem Gesicht nach oben lag er im Maquis.
    Er war zwar nicht ins Herz, aber schlimm genug getroffen. Es war keine Zeit gewesen für einen Schuß in die Schulter, und für Halbheiten war die Entfernung zu kurz. Orsini lag auf dem Rücken und starrte zu dem Amerikaner hinauf, der dicht vor ihm stand. Seine Brusthöhle füllte sich mit Blut, das sich aus den durchschossenen Lungen ergoß und ihm in die Kehle stieg.
    »Sie haben dir erzählt, ich würde kommen, um dich zu töten, nicht?« sagte Quinn. Der Korse nickte langsam.
    »Sie haben dich belogen. Er hat dich belogen. Auch, was die Kleidung für den Jungen betraf. Ich bin gekommen, um seinen Namen herauszubringen. Der Dicke. Derjenige, der alles eingefädelt hat. Du bist ihm jetzt nichts mehr schuldig. Das Schweigegebot gilt nicht mehr. Wer ist der Mann?«
    Ob Dominique Orsini in seinen letzten Augenblicken an der omertà festhielt oder ob ihn das im Hals hochsteigende Blut am Reden hinderte, Quinn sollte es nie erfahren. Der auf dem Rücken liegende Mann öffnete den Mund, vielleicht in einem Versuch zu sprechen, vielleicht zu einem höhnischen Grinsen. Er gab statt dessen ein schwaches Husten von sich, ein Strom hellroten, schäumenden Bluts füllte seinen Mund und lief ihm auf die Brust. Quinn hörte das Geräusch, das er schon früher gehört hatte und nur zu gut kannte: das leise Rasseln der Lungen, die sich zum letztenmal entleeren. Orsinis Kopf rollte zur Seite und Quinn sah, wie das harte, helle Funkeln aus den schwarzen Augen wich.
    Das Dorf lag noch schweigend und dunkel da, als er leise durch die Gasse zum Hauptplatz ging. Die Bewohner mußten den Knall der Schrotflinte, den lauten Schuß eines Revolvers auf der Straße, das Echo der Schüsse droben am Hang gehört haben. Vielleicht waren sie angewiesen worden, in ihren Häusern zu bleiben und hielten sich daran. Doch irgend jemand, vielleicht der junge Bursche, war neugierig geworden. Vielleicht hatte er das neben dem Traktor liegende Motorrad gesehen und das Schlimmste befürchtet. Jedenfalls lag er auf der Lauer.
    Quinn stieg auf dem Dorfplatz in seinen Opel. Niemand hatte den Wagen berührt. Er zog seinen Sitzgurt straff, richtete den Blick auf die Straße und gab Gas. Als er die Scheune vor den Vorderrädern des Traktors erwischte, zerbarsten die alten Bretter. Es gab ein dumpfes Geräusch, als der Ascona gegen mehrere Heuballen innerhalb der Scheune prallte, und noch einmal zersplitterte krachend Holz: Der Ascona demolierte die zweite Scheunenwand.
    Die Schrotladung traf den Ascona, als er aus der Scheune herauskam, und schlug Löcher in den

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