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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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beleuchtete Stelle. Quinn trat aus dem Schatten, zielte und feuerte einmal. Der Vorderreifen des Motorrads war zerfetzt, die Maschine riß es herum. Dann kippte sie nach einer Seite, warf den Fahrer ab und blieb schließlich auf der Straße liegen.
    Orsini wurde gegen den Traktor geschleudert, rappelte sich aber erstaunlich schnell hoch. Quinn stand zehn Yards weit entfernt, der Smith-&-Wesson-Revolver zielte auf die Brust des Korsen. Orsini, der Schmerzen hatte, atmete schwer und verlagerte das Gewicht auf ein Bein, als er sich gegen das hohe hintere Rad des Traktors lehnte. Quinn sah die funkelnden schwarzen Augen, den dunkel sprießenden Bart um das Kinn. Langsam hob Orsini die Hände.
    »Orsini«, sagte Quinn ruhig. »Je m’appelle Quinn. Je veux te parler.«
    Orsini reagierte damit, daß er das Gewicht auf das verletzte Bein verlagerte, stöhnte vor Schmerzen auf und fuhr mit der linken Hand zum Knie hinab. Er war gut. Die linke Hand begann langsam das Knie zu massieren und lenkte damit Quinns Aufmerksamkeit eine Sekunde lang ab. Die rechte Hand bewegte sich viel rascher, fuhr blitzartig nach unten und schleuderte in derselben Sekunde das im Ärmel versteckte Wurfmesser. Quinn sah im Mondschein die Klinge aufblitzen und warf den Kopf seitwärts. Die Klinge verfehlte seinen Hals, erwischte seine Lederjacke an der Schulter und grub sich tief in die Bretter der Scheune hinter ihm ein.
    Er brauchte nur eine Sekunde, um den Messergriff zu packen und ihn aus dem Holz herauszureißen, damit er seine Jacke frei bekam.
    Doch diese Sekunde genügte Orsini. Er war wie ein Blitz hinter dem Traktor und rannte wie eine Katze die Gasse hinter dem Fahrzeug entlang. Aber wie eine verletzte Katze.
    Wäre er unverletzt gewesen, hätte Quinn ihn verloren. So fit der Amerikaner auch war, nur sehr wenige können mithalten, wenn ein Korse sich in den Maquis absetzt. Die hartlaubigen Macchia-Sträucher, die bis zur Hüfte reichen, krallen sich an den Kleidern fest und zerren daran wie tausend Finger. Es kommt einem vor, als watete man durch Wasser. Nach zweihundert Metern ist man entkräftet, hat man in den Füßen das Gefühl einer bleiernen Schwere. In diesem Maquis-Meer kann ein Mann überall untergehen und verschwinden, schon in drei Meter Entfernung nicht mehr zu sehen sein.
    Aber Orsini kam nicht rasch genug voran. Sein zweiter Feind war das Mondlicht. Quinn sah, wie Orsinis Schatten das Ende der Gasse erreichte, das heißt, die letzten Häuser des Weilers, und dann in die Macchia am Berghang lief. Quinn folgte ihm die Gasse entlang, die zu einem Feldweg wurde, und dann ebenfalls in die Macchia. Er hörte vor sich das Rascheln von Zweigen und richtete sich nach dem Geräusch.
    Dann, zwanzig Yards weiter vorne, sah er Orsinis Kopf wieder, der sich quer über den Hang, doch zugleich stetig bergan bewegte. Hundert Yards weiter verstummten die Geräusche. Orsini war in Deckung gegangen. Quinn blieb stehen und tat das gleiche. Mit dem Mond hinter ihm wäre es eine Verrücktheit gewesen, weiterzulaufen.
    Er hatte schon früher nachts Gegner gejagt. Im dichten Busch am Mekong, durch den verfilzten Dschungel nördlich von Khe San, im Hochland mit den Montagnards als Führern. Alle Einheimischen kennen sich auf ihrem eigenen Terrain aus, die Vietkong in ihrem Dschungel, die Buschmänner in ihrer Kalahari. Orsini befand sich auf heimischem Gelände, wo er geboren und aufgewachsen war, zwar behindert durch ein verletztes Knie und ohne Messer, aber sicher mit einer Schußwaffe. Und Quinn brauchte ihn lebend. So kauerten die beiden Männer im Maquis und lauschten den Geräuschen der Nacht, um jenes einzige zu erkennen, das nicht von einer Zikade, einem Wildkaninchen oder einem flatternden Vogel stammte, sondern nur von einem Menschen verursacht sein konnte. Quinn schaute rasch zum Mond hinauf; noch eine Stunde, dann ging er unter. Danach würde er bis zum Morgengrauen nichts mehr sehen, und wenn der Tag anbrach, würde aus seinem Dorf unten am Hang Hilfe für den Korsen kommen.
    Von dieser verbleibenden Stunde rührten sich beide Männer fünfundvierzig Minuten lang nicht. Jeder lauschte und wartete auf eine Bewegung des anderen. Als Quinn ein leises Klirren vernahm, wußte er, daß es das Geräusch war, mit dem Metall einen Stein streifte. Es gab nur einen einzigen Felsbrocken, fünfzehn Yards rechts von Quinn; und dahinter war Orsini. Quinn begann langsam und dicht über dem Boden durch den Maquis zu kriechen. Nicht auf den Felsbrocken zu

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