Der Unterhändler
Tagesförderung beeinträchtigt.
(So geben wir beispielsweise in unseren besten Fördergebieten drei amerikanische Dollar aus, um einen Produktionsausfall in Höhe von einem Dollar zu vermeiden. Im Vergleich zu den amerikanischen Raffinerien verbrauchen die unseren für die Produktion einer Tonne Treibstoff das Dreifache an Energie. Um unser Öl für ein weiteres Jahrzehnt zu »strecken«, müßten wir unsere gesamten Fördereinrichtungen, die Raffinerien und die Rohrleitungsinfrastruktur auf Vordermann bringen. Wir müßten damit sofort beginnen, und die Kosten wären astronomisch.
3. Wir könnten unsere gesamten Anstrengungen auf die Verbesserung unserer Offshore-Bohrtechnologie richten. Die Arktis ist das Gebiet, wo wir am ehesten neues Öl finden könnten. Die Förderungsprobleme sind dort jedoch viel gewaltiger als selbst in Sibirien. Für den Transport vom Bohrloch bis zum Verbraucher ist keinerlei Infrastruktur vorhanden, und selbst die Explorationsprogramme hinken fünf Jahre hinter der Planung her. Auch in diesem Fall wären gewaltige Mittel erforderlich.
4. Wir könnten auf Erdgas zurückgreifen. Wie bereits festgestellt, verfügen wir hier über die größten Reserven der Erde, in nahezu unbegrenzter Menge. Aber auch hier müßten wir enorme Mittel für Förderung, Technologie, ausgebildete Fachkräfte, Rohrleitungsinfrastruktur und die Umstellung von Hunderttausenden Fabriken auf den Einsatz dieses Energieträgers aufwenden.
Und schließlich ergibt sich unausweichlich die Frage: Woher sollten die Mittel, die in den Optionen zwei, drei und vier erwähnt werden, kommen? Angesichts der Notwendigkeit, unsere Devisenbestände für Getreideeinfuhren zur Ernährung unserer Bevölkerung zu verwenden, und angesichts der Entschlossenheit des Politbüros, den Rest für Importe von Hochtechnologie auszugeben, liegt es auf der Hand, daß die Mittel durch Einsparungen aufgebracht werden müßten. Und da das Politbüro außerdem zur Modernisierung der Industrie entschlossen ist, könnte es der Versuchung ausgesetzt sein, das Militärbudget genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ich verbleibe, Genosse General,
hochachtungsvoll
PJOTR V. KAMINSKY , Generalmajor
Marschall Koslow fluchte leise, klappte die Akte zu und starrte hinab auf die Straße. Die Graupelschauer hatten zwar aufgehört, aber der Wind blies noch immer bitter kalt; Koslow beobachtete die winzigen Fußgänger acht Etagen tiefer, wie sie ihre Tschapkas mit den herabgeklappten Ohrenschützern festhielten und mit gesenkten Köpfen die Frunse-Straße entlangeilten.
Es war beinahe fünfundvierzig Jahre her, als er, damals ein dreiundzwanzigjähriger Leutnant der motorisierten Schützen, unter Marschall Tschuikow nach Berlin hineingebraust und auf das Dach der Reichskanzlei geklettert war, um die letzte Hakenkreuzfahne herunterzuholen, die dort noch wehte. Ein Foto dieser Aktion wurde sogar in mehreren historischen Darstellungen abgebildet. Seither hatte er sich mühsam Schritt für Schritt hochgedient, war während des Aufstands von 1956 in Ungarn, während des Grenzkonflikts mit China am Ussuri gewesen, hatte in der DDR Garnisonsdienst geleistet und war dann zum Fernöstlichen Kommando in Chaborowsk, später zum Oberkommando Süd in Baku versetzt und schließlich in den Generalstab geholt worden. Er hatte seine Schuldigkeit getan, die eiskalten Nächte auf fernen Außenposten des Imperiums ertragen, hatte sich von seiner ersten Frau scheiden lassen, die ihn nicht begleiten wollte, und die zweite begraben, die im Fernen Osten gestorben war. Er hatte erlebt, daß seine Tochter nicht, wie er gehofft, einen Soldaten, sondern einen Bergbauingenieur heiratete, und daß sein Sohn es ablehnte, ebenfalls zur Armee zu gehen. Und in diesen fünfundvierzig Jahren war er Zeuge gewesen, wie die Sowjetarmee zu dem heranwuchs, was er als die beste Streitmacht auf unserem Planeten betrachtete, der Verteidigung der Rodina, der Heimat, und der Vernichtung seiner Feinde geweiht.
Wie so mancher traditionell Denkende glaubte auch er, daß eines Tages diese Waffen, für die die Massen sich abgerackert hatten und über die er und seine Männer nun verfügten, eingesetzt werden müßten, und für ihn kam es nicht in Frage, daß irgendeine Konstellation von Umständen oder von Männern seine geliebte Armee schwächte, solange er dieses Kommando innehatte. Er war der Partei zwar tief ergeben – sonst wäre er nicht dort hingelangt, wo er war –, aber wenn irgend jemand, und
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