Der Untoten Zaehmung
einmal sah ich mich noch um und betrachtete Ned Alleyn, der vor der Tür der Garderobe stand, genau wie ihm befohlen worden war.
Irgendetwas stimmte nicht.
34
»Mein Herz ist echt wie Stahl.«
Ein Sommernachtstraum (2. Akt, 1. Szene)
D ie Proben der ersten Szene des ersten Akts waren bes ser gelaufen, als Will gehofft hatte. Die Rollen schienen den Darstellern auf den Leib geschneidert zu sein.
Vielleicht lag das daran, dass dem auch so war.
Ned gab einen perfekten Proteus, Kate eine ausgezeichnete Silvia, während Will sich selbst die Rolle des Valentin vorbehalten hatte. Erste Liebe, ewige Liebe. Das war, was er für Kate empfand und was er in das Stück und seine Figuren hatte einfließen lassen. Selbst Ned musste zugeben, dass Will im Recht gewesen war, als er auf genau dieser Besetzung beharrt hatte.
Und er hatte ihn dafür dieses Mal gar nicht überzeugen müssen.
Will hasste es, seine Macht auf andere auszuüben, aber manchmal musste er es eben tun.
»Kommt schon!«, verkündete Ned. »Wir gehen ins George .«
Das George , ursprünglich bekannt als das George and Dragon , war ein nahe gelegenes Wirtshaus. Es war ein Halt auf der Kutschenroute und diente im Sommer auch als Aufführungsstätte. Vor dem Bau des Rose hatten Wills Stücke oft im Innenhof der Schenke ein Publikum gefunden.
Auch wenn Will die ganze Nacht durcharbeiten musste – am nächsten Tag waren Proben angesetzt, und er musste noch die zweite Szene schreiben – , konnte er einfach nicht Nein sagen, sobald er Kates Gesicht sah. Sie wollte dorthin.
»Dann lasst uns gehen«, sagte er, und für ihr Lächeln hätte er tausend Tode ertragen.
»Ich war noch niemals in einem Wirtshaus«, flüsterte sie, während sie den anderen auf die Straße folgten.
Die Aufregung in ihrer Stimme war ansteckend. Wills Schritte wurden allein dadurch lebhafter, dass er ihr zuhörte.
Wohlerzogene junge Damen besuchten keine Wirtshäuser in Southwark. Wenn Kate auf einer Reise gewesen wäre, hätte sie dort vielleicht Halt gemacht und einen herzhaften Hammeleintopf, braunes Brot, ein wenig Käse und Ale zu sich genommen. Doch sie hätte eine Anstandsdame dabeigehabt und nicht bei den übrigen Gästen des George gesessen, sondern in einem der abgetrennten Räume, die für Kutschenpassagiere reserviert waren. Von der oftmals derben Atmosphäre des Lokals hätte sie gar nichts mitbekommen.
Und das George war durchaus derb. Sie konnten das Gelage schon hören, bevor sie das Gebäude betraten. Innen verschwanden die Übrigen aus ihrer Gruppe in der Menge und ließen Will und Kate allein zurück.
Will musste dem Drang widerstehen, sie schützend an sich zu ziehen. Zwischen den großen und grobschlächtigen Gästen wirkte sie tatsächlich klein und zart. Aber das Schwert an ihrer Seite war nicht zur Zierde, und Kate konnte auf sich selbst achtgeben. Will wollte kein Aufsehen erregen, indem er jemanden, der für alle anderen wie ein junger Mann wirkte, auf eine Weise berührte, die viele anstößig finden würden.
Kit Marlowe könnte es tun, aber er war ja auch Kit Marlowe.
Also bestellte Will zwei Pints und kämpfte sich zu einem Tisch im hinteren Bereich durch, wo sie abseits vom Gedränge alles beobachten konnten.
Kate hob ihr Trinkgefäß und nahm einen tüchtigen Zug. Doch sie verschluckte sich und spuckte alles wieder aus. Will lachte, genau wie alle anderen, die in der Nähe saßen, und schlug ihr auf den Rücken, bis sie nicht mehr hustete.
»Nicht ganz das, woran Ihr gewöhnt seid, was?«, sagte er.
Sie sah ihn nur mit wässrigen Augen an.
»Hey, Will, der neue Knabe braucht ein Paar Eier«, rief jemand.
Will blickte Kate weiter in die Augen. »Was er hat, reicht vollkommen aus«, antwortete er, und ihr gelang ein Lächeln.
Will erhob sein Trinkgefäß. »Auf das Stück.«
Mehrere der Truppenmitglieder erwiderten die Geste und antworteten: »Auf das Stück!«
Kate hob ebenfalls ihren Krug, verzog aber das Gesicht, als das Gebräu immer näher und näher an ihren Mund kam.
»Langsam«, riet ihr Will. »Es ist nicht so schlimm, wenn man nur kleine Mengen schluckt.«
Sie nickte und folgte seinem Rat. Dann stellte sie den Krug ab.
»Besser?«, fragte er.
»Nein«, antwortete sie mit heiserer Stimme.
»Ihr müsst es nicht austrinken.«
»Und mich dafür als Weib beschimpfen lassen?« Sie nahm einen weiteren Schluck. Ihr Gesicht lief rot an, aber sie schluckte das Gesöff runter und behielt es unten.
Diejenigen, die sie verspottet hatten,
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