Der Untoten Zaehmung
nichts gelernt?
»Ich bin der beste Chasseur im Land.«
Ihr seid der einzige Chasseur im Land , verbesserte mich Nounou.
»Was mich nicht weniger zum besten macht.«
Nounous Zähne blitzten in ihrem dunklen, glatten Gesicht auf. So klug und doch so dumm.
Ich sah sie an. »Was wollt Ihr mir damit sagen?«
Vermisst Ihr mich, ja?
»Mehr als ich jemals jemanden vermisst habe.«
Auf Haiti würde man mich als Bokor , als Zauberin ansehen. Einige würden mich gerne brennen sehen.
»Und?«
Das, was Ihr tut, tut Ihr, weil Ihr nicht anders könnt. So wie er.
»Wer?«, fragte ich, aber ich kannte die Antwort bereits.
Liebe ist kostbar. Werft den Mann nicht fort.
»Er ist kein Mann«, sagte ich.
Nein? Ihr würdet sagen, dass Reginald – Nounou verzog ihr Gesicht, als hätte sie etwas Ekelhaftes gerochen – ein Mann ist, aber Will Shakespeare ist ein Monster?
Da hatte sie recht. Reginald war monströser, als Will es jemals sein konnte.
Denkt nach, sagte Nounou. Was ist das Leben ohne Liebe?
»Der Tod«, murmelte ich.
Nah dran.
Und dann war ich wieder in meinem Bett. Der Gesang der Nachtigall hatte mich aufgeweckt. Nounou war fort. War sie ein Traum oder ein Geist gewesen? Spielte es eine Rolle?
Als ich auf den Balkon trat, war der Garten kühl und leuchtete vom Mondlicht. Schatten tanzten hier und dort, aber keiner von ihnen hatte die Gestalt eines Menschen. Ich wartete auf den Ruf der Nachtigall, doch offenbar hatte ich nur gehört, was ich hören wollte.
»Weh mir«, seufzte ich und lehnte mich an das Geländer.
Will Shakespeare trat in das silbrige Licht.
»Hör ich noch länger«, sagte er, »oder soll ich reden?«
»Wenn sie Euch sehen, werden sie Euch ermorden«, flüsterte ich.
»Ach, Eure Augen droh’n mir mehr Gefahr als zwanzig Eurer Schwerter. Durch ihren Hass zu sterben wär’ mir besser, als ohne Eure Liebe Lebensfrist.«
»Ihr seid ein Narr, Will Shakespeare.«
»Ich wurde schon Schlimmeres genannt.«
»Zweifellos.« Ich lächelte. Ich war ein größerer Narr als er.
»Schwarze Dame, darf ich hinaufkommen?«
Ich trat einen Schritt zurück. Er nahm die Bewegung als die Einladung, die sie war, und erklomm innerhalb weniger Augenblicke das Rankgitter. Er musste nun nicht länger so tun, als wäre er ein Mensch. Ich wusste, dass er es nicht war.
»Warum seid Ihr gekommen?«, fragte ich.
»Ich wollte sichergehen, dass er Euch nicht verletzt.«
»Das wagt er nicht.«
»Die Königin?«
»Und mein Degen«, erwiderte ich.
Will unterdrückte ein Lachen, und auch ich musste schmunzeln. Ich würde das hier vermissen. Ich hatte mit niemandem jemals so gelacht und gelächelt wie mit ihm.
Aber ein weiterer Gedanke ließ mich augenblicklich ernst werden, und auch wenn es mir egal sein sollte, konnte ich nicht anders. »Die Königin weiß, was Ihr seid, Will.«
Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Darum will sie ja, dass ich für sie arbeite. In Anbetracht der Tatsache, dass mindestens ein weiterer Vampir in London unterwegs ist … «
»Derjenige, der Nigromante gewandelt hat«, sagte ich.
Will nickte. »Sie dachte, dass es nicht schlecht wäre, einen Untoten auf ihrer Seite zu haben.«
»Sie war schon immer eine sehr kluge Königin.«
Schweigen breitete sich aus, gleichzeitig vertraut und unangenehm. Es gab so viel zu sagen. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
»Ihr seid verheiratet«, platzte es aus mir heraus.
Vielleicht wusste ich es doch.
»So wie Ihr.«
»Aber Ihr wusstet es, als Ihr mich traft. Ihr habt mich angelogen … «
»Ich habe bezüglich Anne nicht gelogen. Ich habe Euch nichts von ihr erzählt, das ist wahr. Aber ich behauptete auch nie, Will Shakespeare sei ein unverheirateter Mann. Das würde ich niemals tun, Kate.«
»Ihr habt auch gesagt, dass Ihr keine Kinder bekommen könnt … « Meine Stimme brach.
»Es sind nicht meine«, erklärte Will leise.
Ich sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Was wollt Ihr damit sa…«
»Es sind Wills.«
»Aber … Ihr seid Will.«
Er holte tief Luft, seufzte und ließ seine Schultern sinken. Dann schien er zu einer Entscheidung gekommen zu sein und die Worte sprudelten aus ihm heraus.
»Vor einigen Jahren fand ich einen Mann verletzt auf der Straße. Er war ausgeraubt worden und lag im Sterben. Ich stellte ihn vor die Wahl, wie ich zu werden, aber er wollte nicht untot sein, und ich konnte es ihm nicht verübeln. Stattdessen gab er mir sein Leben, seinen Namen, seine Frau und seine Kinder. Ich schwor, für
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