Der Untoten Zaehmung
begann, daran herumzulutschen, wurde mir klar, dass es sich um den Kopf einer der Hofdamen der Königin handelte.
»Will?«, murmelte ich.
»Er wird schwächer.«
Ich drehte mich zu Elizabeth um. Sie war bleich, noch bleicher als sonst. Das Rouge auf ihren Wangen und Lippen stach hervor wie das Blut, das überall auf dem Boden verteilt war. Ihr orangefarbenes Haar strahlte heller als das ganze Blutbad. Die weit aufgerissenen Augen der Königin wirkten so dunkel wie eine mondlose Sommernacht.
»Helft ihm«, sagte sie.
Ich folgte ihrem Blick. Will lag auf dem Boden. Zumindest dachte ich, dass es Will war. Ich konnte ihn durch das ganze Blut kaum erkennen. Auf ihm schien mehr zu sein als in ihm, und das, was übrig war, trank Nigromante.
Was war passiert, bevor ich weggetreten war? Will hatte gesagt, dass ich dort bleiben sollte, wo ich war, und als Nächstes hatte ich meinen Namen gehört und war erwacht.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als eine weitere Erinnerung wiederkam. Will, der mit Nounou sprach, die seit Monaten tot war.
Ich fügte diese beiden Hinweise zusammen und verstand …
»Nekro-Vampir.« Kein Wunder, dass Will so viel über sie wusste.
»Er braucht Blut«, sagte Elizabeth.
Sie schien in Anbetracht der Tatsache, dass es um sie herum von Zombies wimmelte und zwei Vampire in einer Blutpfütze auf dem Boden lagen, recht ruhig zu sein. Ich war beeindruckt. Ich wollte …
»Jemanden töten.« Ich beugte mich vor und hob mein Schwert auf.
»Nicht Will«, befahl die Königin. »Rettet ihn.« Sie richtete sich auf, und die Juwelen auf ihrem Gewand funkelten wie tausend Sterne. »Ich befehle es dir, Knabe.«
Zumindest dachte sie immer noch, dass ich ein junger Mann in der Kleidung einer Frau war. Wenn wir hier jemals herauskommen sollten, würde ich ungern ins Gefängnis gehen müssen, weil ich eine Bühne betreten hatte.
»Ja, Eure Majestät«, sagte ich und bemühte mich dabei, meine Stimme rauer klingen zu lassen, um der Maskerade mehr Gewicht zu verleihen.
Da Nigromante damit beschäftigt war, Will auszusaugen – wie ekelhaft – , wollte ich mich hinter ihn stellen, um ihm den Kopf abzuschlagen.
Unglücklicherweise hörte er mich kommen und warf sich zur Seite. So gelang mir kein sauberer Schnitt. Sein Kopf hing noch an einer Sehne.
Ich mochte ein tapferer, abgebrühter Chasseur sein, aber das war selbst für mich zu viel. Ich riss meinen Blick von Nigromante los und sah zu Will.
Er war so still. So blass und doch so … rot. Mein Herz schmerzte. Ich hatte ihn geliebt.
»Vergangenheitsform«, murmelte ich. Er war nicht der Mann gewesen, für den ich ihn gehalten hatte.
Zur Hölle, er war noch nicht einmal ein Mann.
Auch wenn ich nicht glaubte, dass Blutverlust einen Vampir töten konnte, war offensichtlich, dass ich wenig über sie wusste. Momentan schien Will bereits tot zu sein.
Ich rückte näher heran, aber ich rutschte auf dem blutnassen Boden aus. Was sollte ich tun?
»Er braucht Blut«, wiederholte die Königin. »Es wird ihn stärken und heilen.«
Woher wusste sie so viel über ihn?
Die Zombies erwarteten Nigromantes Befehl. Der Nekro-Vampir krümmte sich stark blutend auf dem Boden, aber während ich zusah, begann er bereits zu heilen.
Ich fluchte, tauchte meine Finger in die Pfütze und brachte sie an Wills Lippen.
Die Königin gab ein ungeduldiges Geräusch von sich. »Das reicht nicht aus. Er braucht frisches, warmes Blut. Bietet Euch selbst an.«
»Das habe ich bereits«, murmelte ich. Ich hatte ihm alles angeboten, und er hatte es genommen.
Nicht alles.
War das Nounous Stimme? Oder war das Wunschdenken?
»Bursche!«, rief die Königin ungeduldig. »Ihr müsst Euch beeilen!«
Fast ein Dutzend Zombies umringten Nigromante. Ihr toter Blick war starr auf ihn gerichtet. Sobald der Unhold geheilt war, würde er ihnen befehlen, mich zu töten, oder es selbst erledigen.
In diesem Moment schmerzte mein gebrochenes Herz so furchtbar, dass ich den Tod nur allzu gern empfangen hätte. Doch ich konnte ihnen nicht gestatten, die Königin zu berühren.
»Der Einzige, der uns jetzt noch retten kann, ist … «
»Will«, sagte ich, und er öffnete seine Augen.
40
»Der Feige stirbt schon vielmal, eh’ er stirbt;
die Tapfern kosten nur einmal den Tod.«
Julius Cäsar (2. Akt, 2. Szene)
K ate stand über ihm. Sie wirkte wie eine Heilige oder ein Engel. »Trinkt von mir«, sagte sie.
War er tot?
Will fasste sich an die Kehle. Es schmerzte! Es blutete.
Er war
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