Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
da und beobachtet sie. Beim Anziehen, in der Küche, beim Fernsehen. Ihr macht das nichts aus – wenn’s ihm gefällt. Sie weiß, dass sie hübsch ist. Eine Augenweide. Das war ihr schon immer bewusst. Als sie anfing, sich mit Unterwelttypen abzugeben, haben die alle den Köder gefressen. Sie war achtzehn. Die Männer, auf die es ihr ankam, waren um die vierzig. Sie war gut erzogen, intelligent, wortgewandt. Was Besseres. Es schien nichts Verwerfliches zu sein. Nichts Ernstes. Die Männer benutzten sie und umgekehrt. Nicht zu viele, sie wollte nicht in Verruf geraten. So wie manche andere. Dann wurde sie etwas älter, und andere hübsche Dinger erschienen auf der Bildfläche. Neue Erfahrungen. Sie war immer noch eine Schönheit, aber keine, mit der sich die wichtigen Leute noch amüsieren wollten. Nicht mehr das glänzende neue Spielzeug. Am Anfang hatte sie gedacht, es wäre toll, etwas Besonderes in ihrem Leben. Doch auf einmal war es ihr ganzes Leben. Sie kannte kein anderes. Es gab das hier oder gar nichts. Wenn Lewis den neuen Deal an Land ziehen konnte, dann lohnte es sich vielleicht zu bleiben.
»Nichts«, antwortet Winter. »Was willst du zum Abendessen?«
Zara zuckt mit den Schultern. »Was wir dahaben. Gehen wir heute Abend aus?«
Die Frage bedeutet, dass sie es bereits beschlossen hat. Es ist nicht so, dass sie ihn unter Druck setzt. Sie muss es bloß ansprechen, schon lässt er sich darauf ein. Er fürchtet sich davor, ihr diesen Wunsch abzuschlagen. Er hat auch ihre übellaunige Seite schon kennengelernt, die Gereiztheit. Bloß keinen Stress. Es bloß nicht so weit kommen lassen, dass sie sich aufregt und ein Drama draus macht. Er will seine glückliche Familie. Dafür muss er Opfer bringen.
»Klar, warum nicht?«, sagt er.
»Dann brauchen wir nichts Schweres zu essen«, erwidert sie lächelnd.
Jetzt wirkt sie glücklich. Eine gute Schauspielerin, das weiß er. Das Lächeln zu sehen genügt ihm. Kann sein, dass es nicht echt ist, aber es sieht hübsch aus und wärmt ihm das Herz.
Er ist mit dem Kochen dran. Sie wechseln sich dabei ab, und Zara erledigt die meiste Hausarbeit. Er kann sie sich nur schwer als Hausfrau vorstellen, aber bitte. Sie scheint immer öfter bereit zu sein, sich in diese Rolle zu stürzen. Menschen ändern sich. Es ändert sich auch, was die Menschen vom Leben erwarten. Während er die Tiefkühltruhe durchstöbert, denkt er darüber nach. Er hat keine Lust, schon wieder auszugehen. Inzwischen tun sie das fast jeden Abend. Die einzige Möglichkeit, sie bei Laune zu halten. Er sucht ständig nach einem Anzeichen dafür, dass sie erwachsen wird. Irgendwas, das darauf hindeuten könnte, dass sie sich in die Art Mensch verwandelt, der er schon ist. Manchmal glaubt er zu erkennen, dass sie vernünftiger wird, doch dann tut sie wieder was, das diese Hoffnung zunichtemacht.
Er hat sie ermuntert, ihre Tochter öfter zu sehen. Der Gedanke, den netten Stiefvater zu spielen, gefällt ihm. Seit sie zusammen sind, hat Zara das Mädchen seines Wissens nur zweimal besucht. Er ist der Kleinen noch nie begegnet. Er findet das lieblos. Unerklärlich. Wie kann man das Kind nicht lieben, das man zur Welt gebracht hat? Er hat keine Kinder, wünscht sich aber welche. Das wäre genau das, was er braucht. Wahrhaft lieben und geliebt werden. Zara liebt ihn nicht, sie erträgt ihn. Sie profitiert von ihm, deshalb bleibt sie – das versteht er. Er hat sich damit abgefunden, weil es in seinem Leben immer so war. Er erwartet nicht mehr, doch er sehnt sich nach einer Beziehung, die anders sein kann. Er sieht so was bei anderen Leuten. Warum kann er es nicht haben?
Schlechtes Urteilsvermögen. Das weiß er. Hat er immer gewusst. Zara ist nicht die Richtige, nicht für dieses Leben. Mit ihr ist eine glückliche Familie nicht drin. Sie könnten eine Weile so tun, doch irgendwann würde sie es nicht mehr aushalten. Es wäre nichts Dauerhaftes. Aber da ist diese Angst. An die er denken muss, während er ihr gegenübersitzt und beide die Pasta mit Hühnchen essen, die er rasch zusammengeworfen hat. Es schmeckt nach nichts, doch sie redet schon vom Ausgehen und zieht ihn damit auf, dass die Clubs, die er aussucht, immer langweilig sind. Die Angst. Wenn er Zara sitzenlässt und nach was Tiefergehendem sucht, klappt das vielleicht nicht, und dann steht er mit leeren Händen da. Ihre Beziehung mag nichts Besonderes sein, doch sie ist besser als gar nichts. Als sie einen Nachtclub vorschlägt – der ihr gut
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