Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
ein paar Sekunden und folgt ihnen dann in angemessenem Abstand. Genau wie am vorigen Abend. In die Innenstadt. Das Taxi setzt sie vor einem Nachtclub ab, einem anderen als letztes Mal. In der Nähe gibt es Parkmöglichkeiten, doch Calum beschließt, nicht zu bleiben, und fährt zum Haus zurück, um auf sie zu warten.
Er hofft, dass die beiden allein sein werden. Trommelt aufs Lenkrad und überlegt. Was für eine Party haben sie vorige Nacht mit dem jungen Paar, das bei ihnen war, im Haus gefeiert? Ging es um Sex? Kein Problem, alles unter Kontrolle zu behalten, wenn alle die Hosen runtergelassen haben. Letzte Nacht waren alle so betrunken, dass man sich so ein Sexabenteuer nur als chaotisches Durcheinander vorstellen kann. Aber wer weiß. Wenn man betrunken ist, probiert man allen möglichen Schwachsinn aus. Drogen? Unwahrscheinlich. Vielleicht Cope, vielleicht auch das junge Paar, aber von Winter ist nicht bekannt, dass er sich seinen eigenen Stoff reinzieht. Sonst hätte er nicht so lang überlebt. Die meisten Dealer mit Grips rühren das, was sie verkaufen, nicht an. Wenn man in die Falle geht, die man für andere stellt, scheitert man. Alkohol genügt völlig.
Das Taxi hält vor dem Haus. Calum wirft einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett: zwanzig nach zwölf. Früher als vorige Nacht. Die Taxitüren öffnen sich, Winter und Cope steigen aus. Sonst niemand. Die Türen werden geschlossen, das Taxi fährt weg. Die beiden schlingern den Gartenweg entlang zur Haustür. Copes Mantel steht offen. Sie ist attraktiv, und man sieht sofort, warum sie immer wieder jemanden in die Klauen kriegt. Diesmal kein Gelächter. Wenn sie allein sind, bringen sie sich nicht zum Lachen. Dazu brauchen sie andere. Sie sind betrunken, aber nicht so stark wie vorige Nacht. Ein kürzerer Abend, weniger Alkohol. Winter zieht den Schlüssel ohne große Mühe aus der Tasche und trifft das Schlüsselloch beim ersten Versuch. Die beiden verschwinden im Haus. Das Licht im Erdgeschoss brennt ungefähr zehn Minuten. Dann geht es oben an. Einer von beiden ist raufgegangen, der andere ist noch unten. Zehn Minuten später geht das Licht im Erdgeschoss aus, dann auch im ersten Stock. Eine ruhige Nacht für die beiden. Calum fährt nach Hause.
11
George Daly wartet darauf, dass der Mann wieder aufsteht. Rob Soundso heißt der Kerl. Robert. Der Nachname fällt ihm nicht mehr ein. Egal.
»Findest du’s okay, einfach Geld anzunehmen und es nicht zurückzuzahlen, Robert, ja?«, fragt George. Ruhiger Ton, langsame Bewegungen.
Als er mit dieser Arbeit für Peter Jamieson anfing, erging es ihm wie allen Neulingen. Man ist aufgeregt. Lässt sich vom Adrenalin beherrschen. Manchmal geht man zu weit oder redet zu viel. Oft macht man den Eindruck, wahnsinnig zu sein. Aber George ist nicht so. Seine Arbeit macht ihm keinen Spaß, hilft aber, seine Rechnungen zu bezahlen, und er weiß, dass er gut darin ist. Klug genug, um fürs Grobe zu taugen. Klug genug, um zu wissen: Bis hier und nicht weiter. Er will nicht die Arbeit erledigen, mit der Calum seinen Lebensunterhalt verdient. Auf diese Verantwortung verzichtet er gern.
George ist achtundzwanzig, sieht vielleicht ein bisschen jünger aus. Lockiges schwarzes Haar, das ihm was Jungenhaftes verleiht. Er erledigt die Drecksarbeit. Einschüchterungsarbeit, könnte man sagen. Vielleicht auch Erpressung. Prügel. Drohungen. Wie auch immer man’s nennen will. Er ist keine eins achtzig, nicht besonders muskulös. Drahtig und ganz offensichtlich hart im Nehmen. Ein paar von denen, die fürs Grobe herhalten, sind zwar durchtrainiert, aber nur ganz wenige sind echte Muskelpakete. Leute, die übermäßig viel Zeit im Fitnessstudio verbringen, um ihre Muskeln aufzubauen, werden mit solchen Aufgaben eher selten betraut. Dafür braucht es Geschick und manchmal auch Grips. Man muss wissen, wie weit man gehen kann, und darf diese Grenze nicht überschreiten. Schwachköpfe brauchen sich gar nicht erst zu bewerben. Die enden in der Regel als Türsteher.
Dieser Rob, der sich gerade aufzurappeln versucht und mit der Hand auf dem Linoleum seiner leergeräumten Küche ausrutscht, hat sich Geld geliehen. Aber nicht von der Bank, sondern von einem weniger offiziellen Geldverleiher. Einem, der für Jamieson arbeitet. Zinssatz im Bereich von fünftausend Prozent. Nicht mal der höchste in der Stadt. Da sitzt man schnell in der Falle. Die Leute brauchen Geld. Man leiht ihnen was, ohne Fragen zu stellen. Sie begreifen den Zinssatz
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