Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
denken. Schon jetzt darüber zu reden. Doch eine andere Gelegenheit wird’s nicht geben. Jetzt oder nie. Es ist nicht so, dass ihr nichts an Lewis liegt. Es tut weh, dass er tot ist. Sie will nicht so tun, als wäre sie in ihn verliebt gewesen. Es war was anderes. Angenehm. Nicht perfekt, aber gut. Sie war keine perfekte Lebensgefährtin. Hat ihn oft betrogen. Wahrscheinlich hat sie ihn in Schwierigkeiten gebracht. Sie hat kein schlechtes Gewissen – so war ihre Beziehung, und das wusste er auch. Er hat sich mit offenen Augen drauf eingelassen. Sie hat ihm ein bisschen Glück geschenkt und bedauert jetzt, dass sie ihm nicht mehr geben konnte.
»Und, was sagen Sie dazu?«, fragt Greig und betrachtet sie mit grimmigem Gesichtsausdruck. Er sieht, dass sie ihm nicht zugehört hat. Es ärgert ihn, dass sie sich in so einem Augenblick ablenken lässt. Sie kennt das Geschäft schon lange genug, um es besser zu wissen.
»Wenn Sie mir helfen, das Haus zu kriegen, dann sorge ich dafür, dass Sie nicht leer ausgehen«, sagt sie verärgert. Er hat kein Recht, so überheblich zu sein.
»Also gut«, sagt er. Er klingt jetzt wütend. Bereut, ihr das Angebot gemacht zu haben. Er dachte, sie wüsste es besser. Dass sie genug Grips hätte, um ihm zu nützen. Greig steht auf und schaut aus dem Fenster. »Hat Winter irgendwas im Haus gehabt? Drogen? Bargeld? Irgendwas, das Sie belasten könnte?«
»Nein«, sagt sie, »er hat nie was im Haus behalten. Da war er immer sehr vorsichtig.«
»Gut«, sagt Greig. »Das heißt, dass Sie auch nicht versuchen müssen, was wegzuschaffen. Also, ich kann dafür sorgen, dass Sie keine Probleme bekommen. Ich versuche zu verhindern, dass man Ihnen unangenehme Fragen über Ihre Rolle bei Winters Arbeit stellt. Kommt drauf an, wer die Ermittlungen leitet. Ich kann dafür sorgen, dass Sie nicht sein ganzes Geld verlieren. Damit Sie nicht auf die schiefe Bahn geraten. Ich werde Sie nicht verhören – das übernimmt ein Detective. Aber keine Sorge. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, melde ich mich. Wir beide können ein bisschen Zeit zusammen verbringen. Dann erzählen Sie mir mal, was heute Nacht passiert ist.«
23
Stewart will sie ein letztes Mal küssen, doch sie schließt schon die Tür. Sie hat natürlich recht, er muss sich beeilen. Seit dem Schuss scheint schon eine halbe Ewigkeit verstrichen zu sein. Seitdem ihn die Nachbarn gehört und die Polizei verständigt haben. Als er auf Zehenspitzen durch den Garten hinterm Haus schleicht, ist er so geistesgegenwärtig, sich die Nachbarhäuser anzusehen. Nirgends brennt Licht. Nirgends regt sich was. Das dürfte gut sein. Er kommt am Zaun an. Ein Holzzaun, knapp zwei Meter hoch. Er muss ständig daran denken, was in seinen Taschen steckt. Während er sich hochzieht und auf die andere Seite klettert, hat er Angst, es könnte was rausfallen. Er könnte eine Spur hinterlassen. Könnte sich in Schwierigkeiten bringen und Zara enttäuschen.
Er ist in einem dunklen Garten. Schwer, sich zurechtzufinden, besonders wenn man die Gegend nicht kennt. Vertrau Zara. Sie hat gesagt, du sollst dich im Nachbargarten nach links wenden. Dann kommst du auf der nächsten Straße raus. Vertrau ihr. Auf Zehenspitzen durchquert er den Garten. Bloß niemanden wecken. Bedenk deine Lage, Herrgott nochmal. Du gehst durch den Garten eines Fremden, die Taschen voller Drogen und Geld, kommst gerade vom Tatort eines Mordes. Okay, denk nicht drüber nach. Das bringt doch nichts. Macht dich bloß noch nervöser. Er gelangt durch den Garten und ein Seitentor nach draußen. Auf die Straße. Gut beleuchtet. Ruhig.
Jetzt ist er ein gut gekleideter junger Mann in einer menschenleeren Vorstadtstraße. Stewart weiß, dass er auffallen dürfte. Hat das Gefühl, wahnsinnig auffällig zu sein. Er geht die Straße lang und überlegt, was er tun soll. Ein Taxi nehmen? Nirgends eins zu sehen, und er weiß nicht genau, wohin er sich eins bestellen sollte. Soll ihn ein Taxifahrer so nah am Tatort eines Mordes abholen? Ganz bestimmt nicht. Obwohl sein Herz heftig pocht, kann er noch klar denken. Er ist aufgeregt. Genießt das Ganze. Verdammt nochmal, er genießt es. Stewart kichert vor sich hin. Er kann’s kaum glauben, aber es macht ihm Spaß.
Keine Sirenen zu hören. Kein Polizist kommt angestürmt, um ihn zu verhaften. Als ihm die Gegend langsam wieder vertraut vorkommt, hat er das Gefühl, schon eine Ewigkeit unterwegs, schon meilenweit gegangen zu sein. Er entdeckt Gebäude, die er
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