Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
schon mal gesehen hat. Schaut auf die Uhr und wendet sich ab. Er hat keine Ahnung, wann er das Haus verlassen hat, wie lange der Mord schon her ist. Kann er gefahrlos ein Taxi rufen? Er weiß, dass er weit weg von zu Hause ist. Zu Hause ist er in einer Wohnung im Westen der Stadt, die er sich mit einem Freund teilt. Sie sind seit dem College befreundet. Haben beide Design studiert. Anfangs wollten beide in die Videospielbranche. Sein Freund Tom ist viel begabter als Stewart und hat den Job gekriegt, den er haben wollte. Stewart hingegen ist in der Werbung hängengeblieben, hat aber auch erst vor einem Jahr seinen Abschluss gemacht und die Hoffnung noch nicht aufgegeben.
Am Straßenrand ist eine kleine Bank in die Mauer eingelassen. Wahrscheinlich für Rentner, die tagsüber hier vorbeikommen, obwohl ihm nicht ganz einleuchtet, warum sie sich in dieser Gegend aufhalten sollten. Es gibt hier nur Lagerhäuser und Industrieanlagen, in denen tagsüber viel los ist. Es ist Freitagnacht, geht schon auf Samstagmorgen zu, und nur wenige Autos fahren vorbei. Stewart setzt sich auf die Bank und findet im Telefonverzeichnis seines Handys die Nummer eines Taxiunternehmens. Dann ruft er an, sagt, wo er abgeholt werden will, und wartet. Jedes vorbeifahrende Auto könnte ein Streifenwagen sein. Jedes Geräusch könnte von jemandem stammen, der einen drankriegen will. Echt aufregend. Als das Taxi am Straßenrand hält, lächelt er vor sich hin.
Aus dem Taxi, in die Wohnung. Ohne Lärm zu machen. Sein Mitbewohner darf nicht wissen, dass er Drogen und Bargeld dabeihat. Das wäre gefährlich. Wird in ein paar Jahren vielleicht mal eine gute Geschichte. Aber jetzt noch nicht. Er vertraut Tom und will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Stewart schleicht vorsichtig in sein Zimmer. Kaum ist er dort angekommen, spürt er, wie sich der Nervenkitzel in Erschöpfung verwandelt. Seit einer Stunde sind seine Nerven zum Zerreißen gespannt, das hat ihn ausgelaugt. Er verspürt den Drang, sich in voller Montur aufs Bett zu legen und vom Schlaf übermannen zu lassen. Nein. Er muss der Versuchung widerstehen. Wie sicher man sich auch fühlt, man muss trotzdem vorsichtig bleiben.
Stewart leert seine Taschen und wirft alles aufs Bett. Zuerst sieht er sich das Geld an, weil er weiß, was das ist, und den Wert erkennen kann. Er zählt nicht alles, die Scheine sind bunt zusammengewürfelt. Nichtsdestotrotz bekommt er eine ungefähre Vorstellung davon, wie viel es ist. Jedes der beiden von Gummibändern zusammengehaltenen Geldbündel enthält mindestens tausend Pfund. Drogengeld. Schmutziges Geld. Er fasst es nur ungern an. Will mit so was nicht in Verbindung gebracht werden. Stewart verdient nicht viel, dennoch ist er nicht so hinter dem Geld her, dass ihm diese Scheine was bedeuten. Auch Zara bedeuten sie nichts. Er ist davon überzeugt, dass sie nicht die Art Frau ist, die es nur darauf abgesehen hat. Sie will das Geld und die Drogen einfach loswerden, damit sie nicht in Schwierigkeiten gerät.
Die Drogen. Er weiß nicht, wie viel die Tüten wert sind – er hat noch nie was gekauft. Wenn er mal was genommen hat, ging das immer auf Kosten anderer Leute. Das Koks, das er sich mal reingezogen hat, war nicht schlecht, ihm gefiel der Kick. Er wusste, wenn er wieder was angeboten bekäme, würde er nicht nein sagen, doch er ist nicht so drauf abgefahren, dass er je was gekauft hätte. Jetzt liegt eine Tüte vor ihm auf dem Bett, und sie ist ihm zuwider. Ihm ist zuwider, dass er das Zeug am Hals hat. Dass Zara gezwungen war, es zu holen, um es aus dem Haus zu schaffen. Das Zeug hat sie gequält. Drohte sie ins Gefängnis zu bringen.
Er kriegt sie nicht aus dem Kopf. Während er sich in seinem Schlafzimmer umsieht, um ein Versteck für das Ganze zu suchen, denkt er an sie. Er denkt an sie, als er einen Schuhkarton vom Schrank holt. Darin ein Paar elegante Schuhe. Für eine Hochzeit gekauft. Waren ihm zu eng, und er bekam eine Blase am großen Zeh. Er steckt das Geld in den einen Schuh und die Drogen in den anderen. Kein besonders tolles Versteck, aber das gilt nur für den Fall, dass jemand danach sucht. Wenn das passiert, kann er das Zeug sowieso nicht verstecken. In dieser Wohnung ist es unmöglich, zwei Bündel Geldscheine und zwei Tüten voll Drogen verschwinden zu lassen. Wenn die Polizei kommt, nützt alles Verstecken nichts.
Stewart zieht sich langsam aus, erleichtert, aus seinen Sachen rauszukommen. Wieder aus seinen Sachen rauszukommen. Als
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