Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
Lebenszeichen. Auch auf der Straße nicht. Keine Laternen an. Schimmerndes Mondlicht dringt durch die Wolken. Calum sieht auf die Uhr. Schon fast zwei. Alles ist schnell und glattgegangen. Um halb drei dürfte er zu Hause sein. Schneller, als er gedacht hat. Er tastet nach dem Brett und zieht es zur Seite. Dahinter kommt ein kleiner Spalt, und dann spürt man das Brett, das der Runner von innen befestigt hat, damit der Schuppen von beiden Seiten normal aussieht. Calum legt die Waffen vorsichtig in den Hohlraum und lässt das Brett zurück an seinen Platz gleiten. Es verkeilt sich wieder.
Er kehrt zum Wagen zurück und fährt zur Werkstatt seines Bruders. Auf der Videoüberwachung könnte es einen seltsamen Eindruck machen, dass er mitten in der Nacht einen Wagen zurückbringt. Aber was soll’s. Seltsam heißt ja nicht illegal. Gegen eine nächtliche Fahrt ist nichts einzuwenden. William dürfte Calums Wagen an der Straße geparkt haben, in der Parkbucht vor der Werkstatt. Bestimmt hat er dafür gesorgt, dass in der Nähe eine Parklücke ist. Calum wird den geliehenen Wagen dort abstellen, die Schlüssel unter die Sonnenblende schieben und in seinen eigenen Wagen steigen. Auch da dürfte der Schlüssel unter der Sonnenblende stecken. Dann wird er nach Hause fahren.
Er biegt in die Straße, in der sich die Werkstatt befindet. Eine ruhige, schummrige Straße. Früher noch voller Geschäfte, voller Leben. Jetzt nicht mehr. Die Werkstatt, ein Lagerhaus, ein Armeeladen. Zwei Leute gehen die Straße lang. Verdammt! Er darf nicht dabei gesehen werden, wie er den Wagen wechselt. Wer zum Teufel ist denn in dieser Gegend um diese Uhrzeit noch unterwegs? Im Vorbeifahren sieht er, dass die beiden wie ein normales Paar aussehen. Calum erreicht das Ende der Straße und fährt um den Block. Als er zurückkommt, sind die beiden verschwunden. Er hält in einer Parklücke, schiebt die Schlüssel unter die Sonnenblende und steigt aus. Schaut sich um – niemand zu sehen. Er geht die Straße lang und öffnet beiläufig die Tür seines Wagens. Dann lässt er den Motor an und fährt nach Hause. Das kommt ihm alles zu leicht vor. Calum leidet unter angeborenem Zynismus. Wenn alles glattgeht, rechnet er jedes Mal damit, dass ihn irgendwas plötzlich zu Fall bringt. Unmöglich kann es so leicht gewesen sein. Seine Arbeit sollte nie so leicht sein. Und doch ist sie es oft. Die meisten seiner Aufträge sind einfach und erfolgreich, laufen schnell und problemlos ab. Es geht nichts schief. Es lauern keine üblen kleinen Überraschungen. Heißt nicht, dass es sie nicht gibt. So was kommt vor. Aber die Aufträge, bei denen was schiefgeht, sind die Ausnahme. So was ist lebensbedrohlich, kommt aber nur selten vor. Während Calum in seinem eigenen Wagen vor seiner eigenen Wohnung hält, denkt er, dass diese Arbeit nicht so mühelos sein sollte. Dass das Ganze so mühelos läuft, hat er nicht verdient.
22
Erst prägt sie sich die Adresse ein, die Stewart ihr aufgeschrieben hat, dann zerreißt sie den Zettel in winzige Fetzen und verbrennt sie in einem Aschenbecher. Wenn die Adresse falsch ist, dann verliert sie alles, was sie ihm gegeben hat. Nein, so clever ist er nicht. Dann ruft sie die Polizei an. Sie muss noch in die richtige Stimmung kommen, muss beim Anruf verzweifelt klingen. Die Nachbarn könnten die Polizei schon verständigt haben, deshalb muss auch sie es tun. Sie will nicht erklären müssen, warum jemand anders angerufen hat und sie’s nicht für nötig hielt. Sie darf keine Zeit verschwenden. Zwischen dem Anruf der Nachbarn und dem eigenen darf keine Zeitlücke entstehen, die erklärungsbedürftig ist. Sie geht mit dem Telefon ins Wohnzimmer und zieht sich was über, während es klingelt. Eine Frau hebt ab und fragt, was sie für Zara tun kann. Zara zieht ihre Nummer ab. Spielt Theater. Nicht, dass sie nicht bestürzt, nicht traumatisiert wäre. Ist sie wirklich, hat aber das Gefühl, es auch zeigen zu müssen.
Sie sitzt auf dem Sofa und weint ins Telefon. Inzwischen hat sie sich angezogen. Sie muss lügen, und das wird nicht leicht. Die Frau am Telefon redet ihr unaufhörlich gut zu. Zeigt Mitgefühl. Versucht Informationen zu kriegen. Sie versucht, Zara zu beruhigen, und Zara spielt mit. Doch sie überlegt. Während die Frau redet, überlegt Zara die ganze Zeit, was sie sagen darf und was nicht. Wie weit kann sie Stewart aus der Sache raushalten? Sie darf nicht abstreiten, dass er da war, egal, was sie ihm gesagt hat. Der
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