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Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Titel: Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Mackay
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ist. Dass man hier ist, um vernommen zu werden.
    Die Tür zur Suite geht auf, und ein Mann tritt ein. Billiger Anzug, unglücklicher Gesichtsausdruck. Er scheint überrascht zu sein, dass er um diese Uhrzeit schon arbeiten muss. Vielleicht Mitte vierzig oder ein bisschen älter. Vielleicht auch ein bisschen jünger. Hängt davon ab, wie gut er auf sich achtgegeben hat. Offenbar ein Detective. Hat wohl gerade erst erfahren, dass er den Fall übernehmen soll. Auf geht’s. Jetzt. Unterweltmilieu. Das Mädchen unten ist eine Zeugin. Freundin des Opfers. Die Arbeit im Unterweltmilieu kann spannend sein, da durchzusteigen ist aber schwer. Die Leute bauen sich ihr Wissen über Jahre hinweg auf. Lernen, wer die Fäden in der Hand hält und welche Beziehungen zwischen den Familien und Organisationen bestehen. Er hat lange gebraucht, um das Ganze zu begreifen.
    Michael Fisher kann es nicht ausstehen, dass die Leute ihn als Stereotyp wahrnehmen. Ein Polizist, der von seiner Arbeit besessen ist. Geschieden. Keine Kinder. Keine Zerstreuung. Trinkt zu viel, wenn er nicht arbeitet. Geheimratsecken, graue Schläfen. Bemüht, die Rettungsringe hinauszuzögern. Er hasst dieses Klischee. Damit ist es so viel schwerer, ernstgenommen zu werden. So will er nicht sein. Will nicht die schwerfällige Witzfigur aus einem billigen Polizeistreifen sein. Er ist, was er ist. Ein Polizist, dem seine Arbeit Spaß macht. Jemand, der in seinem Leben nichts anderes gefunden hat, das er so interessant findet, um sich damit die Zeit zu vertreiben.
    Er durchquert die Suite und setzt sich auf den Stuhl gegenüber dem Sofa. Erst jetzt wirft er einen Blick auf Zara Cope. Hübsches Mädchen. Bildhübsch. Gekleidet wie eine Nutte. Viel jünger als das Opfer. Nicht vorbestraft, aber keine Unbekannte. War schon mit vielen Kriminellen zusammen. Schwanzgeil. Auf Eroberungen aus. Sucht die Gefahr. Billigen Nervenkitzel. Dummes Ding. Er kann sie schon jetzt nicht ausstehen.
    »Zara, ich bin Detective Inspector Michael Fisher. Nennen Sie mich einfach Michael. Ich bin hier, um Ihnen auf jede erdenkliche Art zu helfen. Natürlich will ich mit Ihnen über das Vorgefallene reden, aber erst, wenn Sie so weit sind. Sie sollen erst reden, wenn Sie sich dazu bereit fühlen, okay?«
    Zara nickt. Beide wissen, dass das eine Lüge ist.
    Er will ihre Aussage sofort haben. Aus zwei Gründen. Beide haben mit ihrer Rolle bei der ganzen Sache zu tun. Ist sie eine unschuldige Zeugin, ein Opfer, dann will er ihre Aussage hören, solange alles noch frisch ist. Denn wenn man den Leuten Zeit gibt, sich zu beruhigen, gibt man ihnen Zeit, vieles zu vergessen. Kommt die erste Schilderung schnell, erfährt man, was in jenem Moment wirklich wichtig erschien. Aber wenn man wartet, erfährt man nur, was auch noch nach gründlicher Überlegung wichtig zu sein scheint. Geht es schnell, erfährt man, was den Zeugen wichtig ist. Wartet man, bekommt man nur noch zu hören, was sie glauben sagen zu müssen.
    Und dann noch der zweite Grund. Was, wenn sie keine unschuldige Zeugin ist? Wenn sie irgendwie in die Sache verwickelt ist und was verbirgt? Keine Ausnahme. Die Täter haben jemanden, der sich auskennt. Jemanden, der sie ins Haus lässt. Okay, diesmal nicht – sie haben die Tür eingetreten. Jemanden, der ihnen sagt, wo das Opfer ist. Könnte sein. Allerdings ist das Haus nicht allzu groß. Diese Theorie hätte mehr Gewicht, wenn es nur ein Täter gewesen wäre, aber anscheinend waren es zwei. Einer, der den Mord beging, und einer, der Cope in Schach hielt. Also war sie vielleicht nicht die Komplizin. Vielleicht gab es gar keinen Komplizen. Vielleicht hat sie aber auch gegen Bezahlung geholfen. Vielleicht verbirgt sie was. Sie könnte wissen, wer’s war, will es aber nicht sagen.
    Die Leute in diesem Geschäft leben schon so lange in einer Welt der Angst, dass sie aufgehört haben, wie normale Menschen zu denken. Die verpfeifen niemanden. Nie. Nicht mal, wenn jemand umgebracht wurde, den sie lieben, und sie den Killer kennen. Das könnten sie mit dem Tod bezahlen. Der erste Impuls ist, am Leben zu bleiben. Mit so jemandem kann die Arbeit verdammt schwer werden. Deshalb vernimmt man ihn schnell. Bevor er sich irgendwas ausdenken kann. Bevor er alles vertuschen kann. Winter war ein Dealer. Das muss sie gewusst haben. Es gibt vieles, das sie gewusst haben dürfte, und vieles, das sie ihm wahrscheinlich nicht sagen will. Wenn er sie sich schnell vornimmt, kann er an Informationen gelangen, bevor

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