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Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Titel: Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Mackay
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nicht haben kann, was man will. Ein beunruhigender Gedanke. In jungen Jahren schuftet man, geht Risiken ein und bringt alle möglichen Opfer, nur um sich am Ende nach dem zu sehnen, was man geopfert hat. Und davon gibt es unglaublich viel. Natürlich würden diese alten Männer nie zugeben, dass sie in ihrer Jugend falschlagen, auch wenn das offensichtlich ist. Er sitzt angezogen am Küchentisch und isst eine Schale Cornflakes. Denkt über Dinge nach, über die man in der Regel so nachdenkt, wenn man nach einem Auftrag Zeit und Gelegenheit zum Nachdenken hat. Was hab ich falsch gemacht? Gab es irgendwelche Fehler, die mich verraten könnten? Was macht die Polizei gerade? Und die anderen Leute, die in die Sache verwickelt waren, was machen die? Es ist unmöglich, nicht an die Folgen zu denken, wenn sie so schwerwiegend sind. Lebenslang im Gefängnis. Er hat noch nie eingesessen. Aber er kennt ein paar Leute, die schon im Knast waren. Hat die Geschichten gehört. Manche davon übel, manche der reine Horror. Hauptsächlich darüber, wie schrecklich öde das Leben dann ist. Wie man den Tod herbeisehnt, weil es so unbeschreiblich langweilig ist weiterzuleben. Sein einziger Trost ist, dass er mit Langeweile gut klarkommt.
    Keine Fehler. Jedenfalls keine offensichtlichen. Man darf nichts als selbstverständlich betrachten. Muss versuchen, sich an jede Einzelheit zu erinnern. Keine Fehler. Die Polizei? Man könnte rausfinden, wie die Ermittlungen laufen, verzichtet aber besser darauf. Fragen stellen ist gefährlich. Da überlegen die Leute, warum man gewisse Dinge wissen will. Am besten, man verhält sich still und bringt so viel wie möglich in Erfahrung, ohne Fragen zu stellen. Manchmal wird’s einem leichtgemacht. Über einen Mord wird wahrscheinlich berichtet, zumindest in den lokalen Medien. Aber heutzutage wird so was nur an die große Glocke gehängt, wenn die Polizei es auch will.
    Über viele Morde im Unterweltmilieu wird in den überregionalen Nachrichten gar nicht berichtet. Zu uninteressant – eine Nischengeschichte. Doch wenn die Polizei das Ganze aufbauscht, wenn sie die Öffentlichkeit um Mithilfe bittet und die Leute fragt, ob sie was gesehen haben, dann wird darüber berichtet. Dann tauchen plötzlich überall Journalisten auf und spekulieren über Tod, Zerstörung und den moralischen Zerfall der Gesellschaft. Stellen den Zusammenhang zwischen diesem Verbrechen und einer Anzahl von anderen her. Schließlich wird eine gute Geschichte draus. Das will man vermeiden. Man will nicht, dass sich die Medien ausgerechnet auf den Mord stürzen, den man selbst begangen hat. Dass er einen eigenen Namen erhält. Der »Soundso«-Mord. Sobald das passiert, hat man Probleme. Potentielle Auftraggeber arbeiten nicht gern mit Leuten zusammen, deren Taten traurige Berühmtheit erlangen – selbst wenn andere Killer den eigenen Auftrag nicht besser oder schlechter hätten erledigen können.
    Es gibt zwei Gründe, aus denen die Polizei an die Öffentlichkeit geht. Erstens, weil sie nichts in der Hand hat. Keine Spuren, keine Indizien, nichts, das irgendwo hinführt. Sie braucht Hilfe. Unbedingt. Sie bittet um Hinweise. Manchmal sieht jemand einen polizeilichen Aufruf im Fernsehen und kommt zu dem Schluss, dass er sich an was erinnert. Manchmal kann das zu einer Verurteilung führen. Dann hat sich die Bitte gelohnt. Der andere Grund ist, dass die Polizei was ganz Konkretes hat. Irgendwas, das den Killer mit Sicherheit überführt – sie muss nur dafür sorgen, dass die Leute es zu sehen kriegen. Vielleicht ein Kleidungsstück, eine genaue Beschreibung. Irgendwas. Man bringt es ins Fernsehen und weiß, dass es jemand erkennen wird. Dann erhält man den Namen, den man benötigt.
    Wenn es in den Nachrichten kommt, dann liest oder sieht er es. Wenn nicht, dann wartet er. Normalerweise hört man eine Weile lang nichts. Manchmal hört man nie wieder was davon. Man weiß, dass die Polizei ermittelt, wenn es aber eindeutig ein Auftrag im Unterweltmilieu und das Opfer nur Abschaum war, dann lässt die Motivation, den Mörder zu schnappen, ziemlich schnell nach. Auch wenn die Polizei es nie zugeben würde, will sie Opfern helfen, die ihre Hilfe auch verdient haben. Angeblich werden keine Unterschiede gemacht. Doch Polizisten sind auch nur Menschen – also machen sie Unterschiede. Sie wollen Leuten helfen, denen übel mitgespielt wurde, ohne es verdient zu haben. Rein gefühlsmäßig zieht es sie eher zu unschuldigen Verbrechensopfern.

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