Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
Sie sind auch nur Menschen. Das ist ihre Schwäche.
Also hört man nichts, die Ermittlungen werden zurückgefahren, und nichts passiert. Aber manchmal gibt es Cops, die jahrelang hinter einem her sind, obwohl sie nichts in der Hand haben. Vielleicht haben sie sogar den Richtigen im Auge, finden aber keinen hinreichenden Grund zur Anklage. Das bringt sie zur Weißglut. Sie glauben, den Täter zu kennen. Jeder nennt ihnen denselben Namen, doch es sind bloß Gerüchte. Sie haben nichts Stichhaltiges. Man kann nicht aufgrund eines Verdachts vor Gericht gehen. So was gibt’s oft. Das ist schädlich, weil man bei seinen Aufträgen keinen Cop gebrauchen kann, der einem ständig über die Schulter schaut.
Die ersten beiden Wochen. Da herrscht nur Ungewissheit und Sorge. Man überlegt, was alle anderen machen. Wie dicht einem die Polizei auf den Fersen ist. Man befürchtet, dass einen genau dieses Verbrechen in den Abgrund stürzt. Dass man nach Jahren unterm Radar doch in den Blick der Polizei gerät. Selbst zum Ziel wird. Irgendwann passiert das zwangsläufig. Calum bemüht sich, so vorsichtig wie möglich zu sein, aber eines Tages könnte ein wirklich intelligenter Cop kommen und ihn schnappen. Die Technik kann sich weiterentwickeln und ihn überführen, nicht nur bei einem, sondern bei allen Aufträgen, die er je erledigt hat. Er kennt Leute, deren Verbrechen schon zwanzig Jahre zurückliegen und die sich sicher waren, ungeschoren davongekommen zu sein, jetzt aber panische Angst davor haben, dass die Polizei alles neu aufrollt und sie mit Hilfe moderner Technik doch noch drankriegt. Für so manchen im Geschäft ist »moderne Technik« zum Fluch geworden. Er fragt sich, was die anderen machen. Er wird es nicht rausfinden können. George dürfte wie immer seinen Geschäften nachgehen. Er tut bestimmt nichts, was darauf hindeuten könnte, dass er sich verstecken sollte. Ob Jamieson und Young wissen, dass der Auftrag erledigt wurde, ist ungewiss. Manchmal finden sie es schon nach ein paar Stunden raus. Es spricht sich rum, Kontaktpersonen bei der Polizei erzählen es Leuten im Geschäft, und so erfahren sie’s. Doch manchmal dauert es auch eine Ewigkeit. Die Leiche wird nicht so schnell entdeckt, wie man erwarten würde. Die Polizei hält alles unter Verschluss. Aus irgendeinem Grund erfahren es die Auftraggeber tagelang nicht. Sie müssen einfach Vertrauen haben. Genau wie man selbst.
Das Wichtigste ist, nicht nervös zu werden. Man vertraut darauf, dass sie nicht die Nerven verlieren. Auch sie müssen einem vertrauen. Man ruft sie nicht an, um rauszufinden, wie alles läuft. Man setzt sich nicht mit ihnen in Verbindung, um ihnen mitzuteilen, dass man den Auftrag erledigt hat. So läuft diese Arbeit. Stillschweigendes Vertrauen. Irgendwann erfahren sie, dass die Sache gelaufen ist und alles so gut wie möglich über die Bühne ging. Dann wissen sie’s, sind zufrieden, behalten es aber für sich. Ein paar Wochen lang lässt man sich nicht in ihrer Nähe blicken. Vielleicht auch länger. Kommt drauf an, wie sich alles entwickelt. Wenn die Sache noch zu heiß ist, wartet man vielleicht einen Monat und kontaktiert sie auch dann nur über jemand Dritten. Man muss sein Geld kriegen. Etablierte Leute wie Jamieson bescheißen einen nicht. Wenn sie das tun und es sich rumspricht, wer will dann in Zukunft noch für sie arbeiten?
Das Letzte, was die wollen, ist, dass man sie anruft oder bei ihnen auftaucht. Was, wenn die Polizei die Telefonverbindungen überprüft? Und, Mr. Jamieson, warum hat Calum MacLean einen Tag nachdem er einen Mann ermordet hat, mit Ihnen telefoniert? Schon hat die Polizei ihre Verbindung. Weiß, wer den Auftrag erteilt hat. Die eigene Dummheit bringt eine Reihe mächtiger Leute zu Fall, die das weder verzeihen noch vergessen. Die Polizei könnte einen beobachten. Sie könnte Jamieson beobachten. Man muss vorsichtig sein, darf sich nicht verraten. Also rührt man sich nicht. Die Uhr tickt. Die Welt dreht sich weiter. Man unternimmt nichts.
27
Der Fall hält Fisher auf Trab. Die hektische Zeit direkt nach einem Mord, in der jede Menge zu tun ist. Das ist der Teil, der ihm Spaß macht. Das sieht man an seinem Gesicht, an seiner Laune. Er liebt das. Auch weil er weiß, dass es nicht lange so bleiben wird. Entweder schnappt er die Killer, die Ermittlungen werden abgeschlossen, und er wendet sich wieder banaleren Dingen zu, während er auf den nächsten Fall wartet, oder der Sache geht die Luft aus. Kommt
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