Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
weiß, dass sie das Haus ein paar Tage lang nicht betreten darf.
»Ich find schon was.«
Er bemüht sich, ein einfühlsames Gesicht zu machen. Nur der Form halber. Wahrscheinlich ist sie clever genug, das zu durchschauen. So ein Leben führt man nicht, ohne dabei zu lernen, wie ein Lügner aussieht.
»Bevor ich weitermache, muss ich wissen, ob Sie gern einen Anwalt dabeihätten«, sagt er, »obwohl ich Sie natürlich nur kurz darüber befragen werde, was Sie gesehen haben. Sie sind ja bloß Zeugin. Aber vielleicht fühlen Sie sich dann wohler.«
Er tut so, als wäre es die vernünftigste Sache der Welt, aber sie weiß, dass es so aussehen würde, als hätte sie was zu verbergen. »Nein, ist schon okay«, erwidert sie in einem Ton, der ihm weismachen soll, dass sie einen Anwalt für völlig unnötig hält. Wozu sollte das gut sein? Sie hat doch nichts getan.
Er nickt und betrachtet das Blatt Papier, das vor ihm liegt. Von da, wo sie sitzt, sieht es nicht so aus, als würde viel draufstehen.
»Bevor wir anfangen«, sagt er, »ist Ihnen noch was von letzter Nacht eingefallen, irgendwas, das Sie mir sagen wollen?«
Sie schüttelt den Kopf. Das klang so, als würde er erwarten, dass sie was Neues zu sagen hätte, hat sie aber nicht. »Nein. Nein, nichts. Ich hab drüber nachgedacht. Ziemlich lange. Aber es gibt nichts.«
»Schon okay – das war nur für den Fall, dass Ihnen irgendwas wieder eingefallen ist«, sagt er. Er versucht, wie ein vollendeter Profi zu klingen, wie der verständnisvolle Bulle, wäre da nicht ein unterschwelliger Ton, den er kaum verschleiern kann. Wahrscheinlich ist der ihr auch aufgefallen, denkt er. Aber das interessiert ihn nicht. Er hat noch nie einen Fall gelöst, indem er dem Flittchen eines Dealers in den Arsch gekrochen ist.
Und jetzt zu den wichtigen Sachen. Ach, wenn er doch nur irgendwas gegen sie in der Hand hätte. Kommt vielleicht noch. Vielleicht entdecken die Leute, die den im Haus gefundenen Laptop überprüfen, irgendwas, das sie belastet. Wäre schön, irgendwas zu haben.
»Zara, ich muss wissen, in welchem Club Sie und Lewis letzte Nacht waren. Können Sie sich an den Namen erinnern?«
»Ähm, ja. Heavenly, in der Innenstadt. Kennen Sie den?«
»Hab davon gehört«, sagt er. Riesenladen. Dürfte eine vernünftige Videoüberwachung haben. Könnte hilfreich sein.
»Wir gehen da manchmal hin. Nur um runterzukommen. Mal auszugehen. Sie glauben doch nicht, dass die schon da waren, oder? Dass die uns gefolgt sind?«
»Das weiß ich wirklich nicht«, sagt er.
Sie ist nicht mehr so weinerlich wie vorige Nacht. Verständlich. Angemessen. Wenn sie das alles nur spielt, macht sie ihre Sache wirklich gut.
»Ich wüsste gern, ob Sie den Taxifahrer kennen, der Sie nach Hause gebracht hat. Mit dem muss ich reden, für den Fall, dass ihm auf der Straße was aufgefallen ist, nachdem er Sie abgesetzt hat. Vielleicht hat er Leute gesehen oder einen Wagen.«
»Ich weiß nicht«, sagt sie kopfschüttelnd.
»Schon okay, war ein Schuss ins Blaue. Haben Sie ihn kommen lassen, oder hat er draußen auf Fahrgäste gewartet?«
Sie lässt die Hand über die Stirn gleiten. »Ich glaube, der stand einfach draußen. Ich weiß nicht mehr, ob wir uns ein Taxi gerufen haben. Er hat wohl schon draußen gestanden.«
»Schon in Ordnung. Im Club dürfte man wissen, wer regelmäßig draußen wartet. Das kann ich dort in Erfahrung bringen.«
So weit, so gut, denkt sie. Keine Lügen. Kein Versuch, mir eine Falle zu stellen. Aber da kommt noch was. Sie weiß, dass er nach Stewart fragen wird und sie dann lügen muss. Dabei muss sie sich besonders in Acht nehmen. Eine echte Gefahr. Wenn sie merken, dass Zara ihnen ausweicht oder sich querstellt, dürften sie nervös werden und sie unter Druck setzen. Wenn das passiert, steckt sie in Schwierigkeiten. Ist eine Verdächtige.
»Als Letztes würde ich Sie gern nach dem Mann fragen, der sich mit Ihnen das Taxi geteilt hat. Kennen Sie den? Kennen Sie seinen Namen? Vielleicht eine Adresse, unter der ich ihn erreichen kann?«
»Nein«, sagt sie mit einem Kopfschütteln. »Dem bin ich vorher noch nie begegnet. Ich glaube, ich hab irgendwann am Abend mal mit ihm getanzt. Er ist zur selben Zeit gegangen wie wir. Das ist alles.«
Fisher nickt. »Okay, Zara, vielen Dank. Die Spurensicherung wird bestimmt noch mindestens vierundzwanzig Stunden im Haus zu tun haben, vielleicht auch länger. Wir geben Ihnen Bescheid. Wenn Sie nicht wissen, wo Sie hinsollen,
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