Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
können Sie noch eine Nacht hierbleiben. Ich bin mir sicher, dass das kein Problem wäre.«
Sie sitzt auf dem Sofa und denkt voll Bitterkeit darüber nach. Sie weiß wirklich nicht, wo sie hinsoll. Sie hat bloß Schönwetterfreunde, an die sie sich im Notfall nicht wenden würde. Zu ihren Eltern hat sie schon seit acht Jahren kaum noch Kontakt. Die ziehen ihre Tochter groß und scheinen froh zu sein, dass sie ihnen dabei nicht in die Quere kommt. Sie haben mehr Kontakt zu Nate als zu ihrer eigenen Tochter. Nate. Ein reizvoller Gedanke. Bei Nate würde sie sich sicher fühlen. Würde er sie sehen wollen? Sie haben seit fast einem Jahr nicht mehr miteinander gesprochen. Er ist immer höflich, respektvoll. Und doch spürt sie bei ihm immer diese unterschwellige Gefahr. Die Angst. Nein. Sie muss das Geld bei Stewart abholen und sich dann nach einer eigenen Bleibe umsehen. Bestimmt kann sie irgendwas mieten. Wenn sich die Polizei das Haus nicht unter den Nagel reißt, wird sie’s verkaufen. Dorthin will sie nicht zurück.
28
John Young ist in einem Pub, als er davon erfährt. Es ist halb elf Uhr vormittags, und er ist nicht da, um was zu trinken. Ein Drittel des Pubs gehört der Jamieson-Organisation, und es scheint das einzige Drittel zu sein, das nichts abwirft. Erstaunlich, dass die beiden anderen Besitzer so eine Nummer abzuziehen versuchen. Dass sie glauben, damit durchzukommen. Aber manche Leute sind einfach dumm. Sie kamen zu ihm, weil sie Schulden hatten. Bei irgendwelchen üblen Typen. Machten Young ein Angebot. Ein Drittel des Pubs, wenn er ihnen die Schuldeneintreiber vom Hals schafft. Er nahm das Angebot an. Der Pub versprach, Geld zu bringen. Leicht verdientes Geld in einem legalen Geschäft, in dem man illegales Geld waschen konnte.
Das ist Youngs Aufgabenbereich. Er sucht die richtigen Investitionen aus. Hat den nötigen Geschäftssinn. Wenn was schiefgeht, fällt das also auf ihn zurück. Er kann es nicht leiden, wenn irgendwas ein schlechtes Licht auf sein Urteilsvermögen wirft. Wem gefällt so was schon? Der Pub ist erwartungsgemäß eine wahre Goldgrube. Und sie haben dort auch wie geplant illegales Geld gewaschen. Doch der Anruf eines Buchhalters deutete darauf hin, dass die Gewinne aus dem Pub nicht gleichmäßig zwischen den drei Parteien aufgeteilt werden. Erstaunlich, dass die beiden anderen Besitzer, die den Laden noch betreiben und den alltäglichen Kram erledigen, glauben, Peter Jamieson bescheißen zu können.
Sie erhalten eine Warnung. Nur eine einzige. Der Pub ist eine nützliche Sache, und Young will damit keine Probleme haben. Wenn er die anderen Besitzer rausschmeißen und den Laden selbst übernehmen würde, gäbe das nur Probleme. Das ist erst der nächste Schritt. Sollten die beiden wirklich glauben, dass sie Geld an den Leuten vorbeischleusen können, die sie vorher um Hilfe gebeten haben, dann machen sie sich was vor. Das müssen sie begreifen. Das muss er ihnen klarmachen. Sollten sie es noch mal versuchen – was nur die allerwenigsten tun, die schon mal gewarnt wurden –, dann werden sie entsprechend bestraft. Sie haben ihren Anteil am Geschäft bloß noch, weil Young mit den Schuldeneintreibern einen Deal abgeschlossen hat. Er hat nicht die ganzen Schulden bezahlt, aber das wissen die beiden nicht. Sie wissen nur, dass sie ihm was schulden.
Er hat sie früh am Morgen angerufen und gesagt, dass sie sich unbedingt treffen müssten. Dass er eine ernste Nachricht für sie hätte. Dass er einen dringenden Anruf von seinem Buchhalter bekommen hätte und sie was klären müssten. Er hat es so formuliert, als würde er ihnen keinerlei Vorwürfe machen. Aber sein Ton hat ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass er es doch tut. Jetzt ist er im Pub und hat Neil Fraser dabei, ein zarter Wink, wie wütend er ist. Neil ist ein Schläger. Er gehört nicht zu den kultivierteren Leuten in Peter Jamiesons Diensten. Männern wie George Daly, harten Kerlen mit Grips. Zuverlässig und unaufdringlich. Doch Neil Fraser ist ein Schläger. Große Muskeln, kleines Hirn. Große Klappe, wenig Worte. Großer Auftritt, wenn bei solchen Anlässen so jemand neben einem sitzt. Nützlich als Warnung.
Das Treffen läuft so, wie Young es erwartet hat. Die beiden Männer tun so, als wäre ihnen die Sache absolut peinlich. Zwei Glasgower mittleren Alters, die ihm weismachen wollen, dass ein Buchhalter, der für sie die Abrechnung machen sollte, an dem Ganzen schuld ist. Sie versichern ihm mehrfach, dass
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