Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
den ganzen Tag zu Hause gesessen und auf das Klingeln gewartet. Werden es die Cops sein oder Zara? Bitte lass es Zara sein. Sie ist es. Sie sieht weniger elegant aus als beim letzten Mal. Kein Make-up. Schlichte Kleidung. Trotzdem schön. Dafür sorgt schon der Rausch dieses Augenblicks.
Er geht mit ihr nach oben. Führt sie in eine karg möblierte, aber saubere Wohnung. Schön, aber offenbar zumeist ungenutzt. Bewohnt von zwei Leuten, die was Besseres zu tun haben, als zu Hause zu bleiben. Die Glücklichen.
»Mein Mitbewohner ist nicht da. Niemand außer uns beiden«, sagt er nervös. Das könnte wie eine Anmache klingen – er muss noch was anderes sagen. »Wir können ungestört reden.«
Sie setzt sich an den Küchentisch. Er nimmt ihr gegenüber Platz.
»Okay«, sagt sie nickend. »Das ist gut. Bist du letzte Nacht gut nach Hause gekommen, keine Probleme?«
Toll. Sie hat sich Sorgen um ihn gemacht. »Ja, gut, nicht das geringste Problem«, sagt er und versucht dabei lässig zu klingen. Er sollte ihr lieber nicht sagen, dass er das Ganze aufregend fand. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt.
Sie wirkt nervös. Versucht, nicht deprimiert auszusehen, doch er sieht es ihr an. Was soll er sagen? So vieles, das er zum ersten Mal erlebt. Das erste Mal, dass er in so einer Lage war. Das erste Mal, dass er für eine Frau so was empfunden hat. Aber wie viel davon ist real, wie viel ist dem Nervenkitzel geschuldet? Das meiste. Sie ist hübsch, doch ihm ist klar, dass er sich nicht in
sie
verliebt.
»Und was machen wir jetzt?«, fragt er. Er versucht, mitfühlend zu klingen. Verschwörerisch. Versucht, ihnen Zusammenhalt zu geben.
»Was ich dir mitgegeben habe, hast du das noch?«, fragt sie, um zur Sache zu kommen.
Während er in einem anderen Zimmer verschwunden ist, ergreift Zara die Gelegenheit, sich umzuschauen. Vielleicht verdient Stewart ja ganz gut. Vielleicht ist er keine so schlechte Wahl. Die Wohnung hat was Jungenhaftes. Die Wohnung zweier junger Männer, die wie junge Männer leben. Trotzdem mit Potential. Vielleicht nichts Langfristiges, aber eine Weile ganz nützlich. Nein. Sie darf sich nicht an Kurzzeitlösungen klammern. Sich nicht auf den Erstbesten einlassen. Sie muss was Besseres zustande bringen. Die einzige Möglichkeit, an ein besseres Leben zu kommen, besteht darin, auch was Besseres anzustreben. Er kommt mit den Geldbündeln und den Drogentüten aus dem Schlafzimmer. Anscheinend denkt er, sie nimmt alles so.
»Hast du was, wo ich die Sachen reinstecken kann?«, fragt sie, ohne ihre Ungläubigkeit zu verbergen.
»Klar.«
Ist es gut oder schlecht, dass er nicht weiß, was er tut? Gut ist, dass er wahrscheinlich nicht in die Sache einsteigen, sich nicht daran beteiligen will. Schlecht, dass er den Ernst seiner Lage nicht begreifen könnte. Sie beschließt, ihn ihm klarzumachen. Er kehrt mit einem Schuhkarton und einer Plastiktüte zurück. Und während er alles in den Karton packt, beginnt sie zu sprechen.
»Stewart, begreifst du eigentlich, wie ernst das Ganze ist?«
Er hält inne und blickt sie an. »Ich hab gehört, wie dein Lebensgefährte erschossen wurde. Ernster kann es ja wohl nicht mehr werden. Ich bin mit Drogen und Bargeld vom Tatort geflüchtet. Das ist ziemlich ernst.«
»Gut. Dir muss klar sein, dass das hier nichts ist, was man auf die leichte Schulter nimmt, worüber man mit seinen Freunden Witze reißt. Über so was redet man nicht mal. Du musst begreifen, was es für Konsequenzen hat, wenn dir was rausrutscht.«
Er drückt den Deckel auf den Schuhkarton und stutzt. Das klang fast wie eine Drohung. Droht sie ihm etwa für den Fall, dass er nicht den Mund hält? Er sieht sie mit fragendem Blick an. Sie erwidert seinen Blick, hat seine Gedanken vielleicht erraten.
»Dabei denk ich an dich, Stewart«, sagt sie. »Zugegeben, auch an mich, aber du musst jetzt sehr vorsichtig sein. Wenn die Polizei rausfindet, dass du da warst, landest du hinter Gittern. Für das, was du getan hast, könntest du locker ein paar Jahre kriegen. Das will ich nicht. Du sollst nicht dafür büßen, dass du mir helfen wolltest.« Ihr treten Tränen in die Augen. »Ich hab das Gefühl, unglaublich viel verloren zu haben. Ich will nur das Gute schützen, das noch übrig ist.«
Er steht auf, eilt zu ihr und wirft die Arme um sie, als sie zusammenbricht. Er umarmt sie, sagt ihr alle möglichen unbedeutenden Trostworte. Das klang so eindrucksvoll. Als würde sie sich ihm an den Hals werfen. Als würde
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