Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
Hörweite ist, bevor sie weiterreden. »Du siehst aus … als hätte man dich frisch an der Hüfte operiert.«
Frank lacht. »So fühl ich mich auch.«
Die Frau verabschiedet sich von Frank, sagt, dass sie später noch mal vorbeikommt, um ihm seinen Tee zu machen. Sie klingt ziemlich herrisch, aber in seiner Lage muss Frank nehmen, was er kriegen kann.
»Was ist los, mein Junge?«, fragt der alte Mann und greift nach einer Schachtel Süßigkeiten, die er vor seiner Pflegerin versteckt hat.
»Vielleicht nichts. Vielleicht aber auch was Übles.« Seltsam. Ein Leben lang achtet man darauf, dass man keinem was über seine Arbeit erzählt. Man erzieht sich dazu. Bemüht sich, nichts auszuplaudern. Und doch gibt’s da draußen jemanden, bei dem man es einfach tut. Calum weiß, dass er Frank vertrauen kann. Dass es bei seiner Arbeit nichts gibt, was Frank nicht schon dreißig Jahre vor ihm getan hat. Frank hat die seltene Gabe, ein guter Gesprächspartner zu sein.
»Was Übles passiert doch ständig. Was ist los?«
Calum hält inne. Er muss die Botschaft zu Jamieson durchbringen. »Ich hab einen Auftrag erhalten. Ich hab die Sache problemlos erledigt. Lief alles glatt. Nichts, was auf mich hindeuten könnte. Aber plötzlich ruft mich Glenn Davidson an.«
Calum sieht, wie Frank das Gesicht verzieht. Er kann Davidson nicht ausstehen. Konnte schon seinen Vater nicht ausstehen. Aus gutem Grund, obwohl Calum nie genau wusste, weshalb.
»Er hat mich heute Nachmittag angerufen. Hat gefragt, ob ich viel zu tun hab. Was sollte ich sagen? Ich musste es zugeben. Danach hat er einen auf nett gemacht, und das war’s.«
Frank scheint die Praline, die er in der Hand hält, vergessen zu haben. Er starrt zum Fenster rüber und denkt über irgendwas nach, über das er nicht reden will.
»Er wollte wissen, ob du vor kurzem gearbeitet hast«, sagt Frank mit leisem Knurren.
»Genau. Er würde sich wohl kaum an mich wenden, wenn er einen zweiten Mann bräuchte – da gäb’s wesentlich bessere Möglichkeiten.«
»Nicht besser, aber billiger. Aber du hast recht, der hat keinen Partner gesucht. War anscheinend auf Informationen aus, und das ist wirklich nicht gut.« Er nickt. Frank weiß, was er tun wird. Er wird dafür sorgen, dass Young so bald wie möglich davon erfährt. Er verspürt dieses Kribbeln, das er immer hat, wenn was Wichtiges vor sich geht. Die Aufregung setzt ein. Man weiß, dass Arbeit auf einen zukommt. Dass eine Menge passieren wird. Der Kitzel des Jobs.
Er sitzt mit hochgelegtem Bein da. Ein Krüppel. In diesem Geschäft herrscht keine Chancengleichheit. Für ältere Krüppel ist da kein Platz. Die stören bloß.
»Peter hat gesagt, wenn ich wieder laufen kann, soll ich ein paar Wochen in seine Villa in Spanien fahren«, sagt Frank. Zeit, das Gespräch zu einem angenehmen Abschluss zu bringen. Die Botschaft ist angekommen. Calum weiß, was er zu tun hat. Er ist ein kluger Junge. Frank schätzt ihn seit jeher.
»Das wusste ich nicht. Wird bestimmt schön – sich ein Weilchen die Sonne auf den Rücken scheinen lassen.«
»Ja, Luftkrankheit, Sonnenbrand, tuntige Drinks, eine hässliche Krähe, die mir Gesellschaft leistet, und dann zurück an die Arbeit. Kann’s kaum erwarten.«
In seiner Wohnung zehrt wieder die Paranoia an Calum. Es gibt nichts mehr zu tun. Sich eine Waffe besorgen? Nein, auf keinen Fall. Damit darf er gar nicht erst anfangen. So was bringt nur Ärger. Noch weiß er nicht mal, ob er überhaupt Angst haben muss. Er weiß nur, was im Moment passiert. Frank ruft John Young an und gibt die Information über den Anruf von Davidson weiter. Young und Jamieson dürften besser wissen, wie bedrohlich das Ganze ist. Sie könnten alles in Ordnung bringen. Könnten sich mit dem, der dahintersteckt, zusammensetzen und reden. Ihn dazu bringen, seine Hunde zurückzupfeifen. Wir haben schon einen deiner Männer erledigt, zwing uns nicht, noch welche umzubringen – diese Art Gespräch. Manchmal klappt das. Es könnte auch der Anfang eines Kriegs sein. Der Anfang von was Großem. Frank hatte diesen versonnenen Blick, der darauf schließen lässt, das sich was Beeindruckendes am Horizont abzeichnet. Den alten Männern gefällt so was. Das ist alles, wofür sie noch leben. Nicht gut, wenn man noch eine Weile am Leben bleiben will. Kann sein, dass es nichtig ist. Nur ein kleiner Gewaltausbruch zwischen Leuten, die gegenseitig ihre Grenzen austesten. Auch wenn es ein Krieg ist, muss es nicht besonders viel mit
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