Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
noch lange nicht, dass er kein Mörder ist. Die Treppe rauf und um die Ecke. Zwei Türen, auf jeder Flurseite eine. Zwei Wohnungstüren. Als sich die richtige von beiden öffnet, geht Fisher hin. Vor ihm steht ein junger Mann, den Blick auf sein Handy gerichtet. »Du hast dir ja ganz schön Zeit gelassen. Col hat schon angerufen und …« Als er die Polizisten sieht, hält er inne.
Er steht reglos da, als hätte er noch nie einen Polizisten gesehen. Scheint Angst zu haben, das ist gut.
»Ich bin Detective Inspector Fisher. Und Sie?«
»Ähm … Tom. Ich bin Tom. Tom Shields. Stimmt was nicht?«
»Könnte sein, Mr. Shields. Wir suchen Ihren Mitbewohner, Mr. Macintosh. Ist er zu Hause?«
»Nein, der ist grade weggegangen. Aber nur um Geld zu holen. Wir wollten nur was trinken gehen. Nur … Was ist los?« Jetzt hat er richtig Angst. Es ist keine reine Spekulation mehr, er weiß, dass irgendwas nicht stimmt.
»Vielleicht können Sie uns helfen, Mr. Shields. Sie können uns ein paar Fragen beantworten.«
Sie gehen in die Wohnung. Fisher setzt sich gegenüber von Shields an den Küchentisch. Matheson und Higgins bleiben in der Nähe stehen und warten auf Anweisungen. Sie haben keinen Durchsuchungs-, nur einen Haftbefehl. Den Durchsuchungsbefehl dürften sie in einer halben Stunde haben. Dann können sie die Wohnung auf den Kopf stellen.
»Freitagabend. Waren Sie da mit Mr. Macintosh zusammen?«
»Äh … Freitagabend, nein. Da waren wir jeder allein unterwegs. Ich hatte ein Date. Nettes Mädchen. Er war im Club, glaube ich. Keine Ahnung.«
»Stimmt. Haben Sie gehört, um wie viel Uhr er nach Hause kam?«
»Nein. Ich war … lange weg. Bis zum frühen Morgen. Sie wissen schon. Ich war nicht hier, als er nach Hause kam.«
Wenn dieser Schlappschwanz ein Krimineller ist, dann ist dieses Geschäft ziemlich am Ende. Das Leben wäre ein Kinderspiel, wenn alle so erbärmlich wären wie dieser Typ. So ängstlich. Gefügig. Bereit, jede erforderliche Auskunft zu geben.
»Hat Ihnen Mr. Macintosh irgendwas über Freitagabend erzählt?«
»Nein«, sagt Tom, »hat er nicht. Nicht das Geringste.« Dann eine Pause. »Ist was passiert?«
»Hat sich Mr. Macintosh seit Freitagabend irgendwie anders verhalten? Ist Ihnen da irgendwas aufgefallen?« Fishers Auftreten macht klar, dass Tom nicht das Recht hat, selbst Fragen zu stellen.
»Nein, nicht dass es mir aufgefallen wäre. Ich hab nicht viel von ihm zu sehen gekriegt, aber … ich glaube nicht.«
Plötzlich ertönt wieder die Klingel. Shields blickt in panischer Angst auf die Sprechanlage.
»Lassen Sie ihn rein«, fordert ihn Fisher auf, »und sagen Sie nichts.«
Shields geht zur Sprechanlage und drückt auf den Türöffner. Er sagt kein Wort. Öffnet bloß seinem Mitbewohner die Tür. Nichts Besonderes. Dann kehrt er zurück und setzt sich wieder an den Tisch. Er scheint den Tränen nahe zu sein. Hat keine Ahnung, in was sich sein Freund da hat reinziehen lassen, doch wenn ein Detective und zwei uniformierte Beamte auftauchen, dann muss es schwerwiegend sein. Hätte er was sagen können, um seinen Freund zu schützen? Könnte irgendwas, das er gesagt hat, seinem Freund weiteren Ärger einhandeln?
Zu spät. Ein Schlüssel im Schloss. Stewart stößt die Tür auf. Redet, während er den Schlüssel rauszieht. »So eine blöde Alte vor mir, ich glaub, die wusste nicht mal, wie man einen Geldautomaten bedient. Wozu hat die eine Karte, wenn sie …« Als er die Uniformen sieht, hält er inne.
»Stewart Macintosh?«, fragt Fisher. Er steht vom Tisch auf, während sich Matheson und Higgins hinter Stewart aufstellen, damit er nicht abhauen kann.
»Ja«, antwortet Stewart. In diesem einen Wort liegt Einverständnis. Als hätte er es kommen sehen. Fast so, als hätte er es erwartet.
Der Detective verhaftet Stewart. Er betrachtet ihn nicht bloß als Zeugen, sondern nimmt ihn als Verdächtigen fest. Es geht nicht darum, nur ein paar Fragen zu stellen. O Gott! – Er hat gerade das Wort »Mord« verwendet. Sie wollen mit Stewart wegen eines Mordes reden. Sie verhaften ihn wegen Mordes.
»Stewart …«, sagt Tom und verstummt. Die Cops öffnen die Wohnungstür, um ihn rauszubringen. »Was geht hier vor?«
Stewart dreht sich zu ihm um. Sieht ihn geknickt an. Er ist da in was verwickelt, das ihn überrollt hat. Er sieht herzzerreißend schuldbewusst aus. Doch er sagt nichts.
»Soll ich irgendwem Bescheid geben?«, fragt Tom.
Stewart bleibt stehen.
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