Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
muss drüber nachdenken. Muss sich überlegen, wie viel Hilfe er beanspruchen will und in welchem Bereich. Aber irgendwann wird er drum bitten. Er wird noch tiefer in die Klemme geraten. Das weiß Young. Young weiß, dass ihm nichts anderes übrigbleibt. Er weiß auch, warum. Weil er es selbst eingefädelt hat. Dafür gesorgt hat, dass Higgins’ Familie wieder Schulden hat. Dass sich seine Schwester wieder in übler Gesellschaft befindet. Dass alle in Schwierigkeiten geraten, aus denen sie ohne seine Hilfe nicht wieder rauskommen. Er schafft die Probleme. Und er sorgt für Abhilfe. Das gehört zu seinem Job. Wertvolles Kapital wie Higgins in Abhängigkeit zu halten. Jemanden in die Tasche zu stecken ist das eine, ihn nicht wieder rauszulassen was ganz anderes.
»Warum fährst du nicht nach Hause, Joseph«, sagt Young. »Ich bleibe noch. Muss sowieso noch mal telefonieren.«
Higgins nickt. Er steht auf und schüttelt Young die Hand. Immer höflich. Weiß der Geier, wo der das herhat. Jedenfalls nicht von seiner verseuchten, degenerierten Familie. Young muss nicht telefonieren, er muss nachdenken. Es bleiben noch ein paar Probleme zu überwinden. Gut, dass die Polizei Shug auf dem Radar hat. Dass er mit Drogenhandel in Verbindung gebracht wird. Mit Winter. Er denkt nicht mehr über das Treffen mit Higgins nach, sondern über den heimlichen Anruf von Frank MacLeod. Der nahelegt, dass der nächste Schritt bevorsteht. Für Young lautet die Frage – und als Stratege muss er darauf die Antwort finden –, wer unternimmt als Erster was?
Verlockend, sich Davidson vorzuknöpfen. Eine gute Gelegenheit, dem Feind einen Schlag zu versetzen. Aber wer soll das übernehmen? Frank ist nicht einsatzfähig. Calum zweimal kurz hintereinander loszuschicken wäre ein Risiko. Abgesehen davon wäre es sowieso gefährlich, in so kurzer Zeit zwei Morde in Auftrag zu geben, ganz egal wen er dafür einsetzt. Verlockend, den nächsten Schritt zu machen. Könnte durchaus klüger sein, der anderen Seite den Vortritt zu lassen. Sollen die doch anfangen. Sollen sie sich noch tiefer verschanzen. Wenn sie einen unserer Leute umbringen, haben wir freie Hand. Wenn man angegriffen wird, kann man alles rechtfertigen. Dann ist es leicht, den Rückhalt anderer Organisationen zu gewinnen. Die Leute sollen ruhig sehen, dass Shug gefährlich ist. Alle im Geschäft müssen begreifen, dass er auch für sie eine Bedrohung ist.
Vielleicht muss man jemanden opfern, damit diese Botschaft ankommt. Das ist immer eine traurige Sache. Eine schreckliche Entscheidung, einen der eigenen Leute auf der Strecke bleiben zu lassen. Aber so ist das Leben. Vielleicht muss er Calum opfern. Das wäre schade, aber er hat auch schon für ein paar andere Leute im Geschäft gearbeitet, deshalb würde das Ganze einen großen Effekt haben. Gute Beziehungen, großes Ansehen. Er wäre ein Verlust, zu einem schlechten Zeitpunkt. Ohne Frank müsste man jemand anderen finden. Schon der dritte Mann. Calum war der beste Kandidat. Trotzdem, es könnte sich lohnen. Er muss ein bisschen warten. Davidson die Gelegenheit geben, gegen Calum vorzugehen. Mal sehen, was am Ende dabei rauskommt. Nicht nötig, ihn vorzuwarnen. Er kann sich zurücklehnen und alles auf sich zukommen lassen.
42
Fisher stürmt in die Umkleide. »Wo ist denn der andere?«, will er von Matheson wissen.
»Joseph? Der ist schon nach Hause. Den haben Sie knapp verpasst.«
Verdammt! Man muss diesen jungen Polizisten das Gefühl geben, dass sie einem was schuldig sind. Sie müssen glauben, dass man sie in alles einbezieht, dass man ihnen einen Gefallen tut. So sichert man sich ihre Loyalität. Nur so kann man sie zu anständigen Polizisten formen.
»Macht nichts. Dann kommen Sie halt mit, und suchen Sie sich noch jemand anderen. Wir statten Zara Cope einen Besuch ab. Ich habe einen Haft- und einen Durchsuchungsbefehl.«
Matheson findet einen anderen Polizisten, der auch noch ziemlich jung aussieht. Solange es nicht Greig ist, ist das Fisher egal. Sie sitzen im Wagen, unterwegs zu Copes Wohnung. Um sie unter Druck zu setzen. Um zu sehen, ob sie ihnen den Schuhkarton gibt, ohne dass alles durchsucht werden muss. Sie dürfte sich querstellen. Das weiß Fisher. Sie ist einer dieser zynischen, cleveren, heimtückischen Menschen, die einem das Leben schwermachen. Sie wird auf die Tränendrüse drücken. Ihnen raffinierte kleine Lügen auftischen. Alles zu ihrem Vorteil verdrehen. Er muss es schaffen, sie zu belasten. Sie ins
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